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(Nicht nur) sonntags frei

Ich kann mich noch genau erinnern, wie bei uns früher die Sonntage abliefen: Nach dem (späten) Frühstück, bei dem es für mich immer eine Extraportion gab, verschwand Frauchen, weil der Besuch der Messe anstand. Dass ich da nicht mitdurfte, versteht sich von selbst. Und außerdem habe ich eine Weihrauchallergie …
Jahrelang ging das so, aber dann wurden Frauchens Besuche immer seltener, bis es schließlich zu meiner großen Freude sonntags immer zu Hause blieb. „Ich weiß gar nicht, was ich da immer soll“, so ihr Kommentar, „das kostet nur Geld, denn ich muss dahin fahren, dann kommt die Kollekte, wo man bezahlen muss, und hinterher geht man meistens auch noch zum Frühschoppen.“ Früher sei das alles anders gewesen, denn da habe sie immer den einen oder anderen getroffen, mit dem man dann auch das eine oder andere Geschäft machen konnte. Für mich war das natürlich toll, denn so hatte ich Frauchen öfter für mich. Für den Pfarrer der Kirche war das natürlich nicht so toll, denn es gab immer mehr, die so dachten wie Frauchen – und bei der Messe war folglich immer weniger los.
Irgendwie fiel mir diese Geschichte wieder ein, als Frauchen letztes Jahr aus Köln und in diesem Frühjahr aus Hamburg zurückkam. Mir hatte sie erzählt, sie fahre auf eine Messe, und ich war etwas erstaunt, denn Messen standen ja nicht mehr auf dem Sonntagsprogramm, wie schon erzählt. Da habe ich dann aber wieder etwas Neues gelernt, denn das waren nicht die bekannten Sonntagsmessen aus der Vergangenheit. Frauchen empfahl mir einen Blick ins Internet (Wikipedia sei Dank!). Und da konnte ich lesen: „Eine Messe im wirtschaftlichen Sinne ist eine zeitlich begrenzte, wiederkehrende Marketingveranstaltung. Sie ermöglicht es Herstellern oder Verkäufern einer Ware oder einer Dienstleistung, diese zur Schau zu stellen, zu erläutern und zu verkaufen. Kunden haben auf einer Messe die Möglichkeit, die Angebote verschiedener Anbieter zu vergleichen und sich ein Bild von der Marktsituation zu machen. Ausstellenden Unternehmen geht es um Gewinn oder Auffrischung von Kundenkontakten, Steigerung des Bekanntheitsgrades sowie Informationsaustausch.“ Was für eine Definition!
Frauchen hat das viel einfacher formuliert. „Da haben sich früher immer die wichtigsten Getränkehersteller versammelt, um möglichst viele Geschäfte zu machen“, hat Frauchen mir erklärt. „Aber irgendwie hat sich das wie mit den Sonntagsmessen entwickelt. Immer weniger kamen, weil sie zu wenige oder die aus ihrer Sicht falschen Menschen getroffen haben. Viele hatten offensichtlich auch keine Lust mehr, sich an der Kollekte zu beteiligen, sprich: Sie mussten Geld sparen.“ Und weil die einen nicht mehr kamen, beschlossen auch die anderen, nicht mehr zu kommen.
Nur Frauchen, das bleibt eine treue Besucherin dieser Messen. Sie findet immer noch genug Gesprächspartner – und so muss ich dann weiter auf sie verzichten, wenn auch nicht mehr sonntags.

Euer Viktor