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Das Nord-Süd-Gefälle der Schusseligen und Unwissenden

Im Dezember 2011 verhängte das Münchner Amtsgericht eine drastische Strafe gegen einen 29-jährigen Studenten. Der Student hatte von seinem Großvater ein Sparbuch überschrieben bekommen – mit der Einschränkung, dass er über das Guthaben erst nach dem Ableben seines Großvaters verfügen dürfe.

Der fleißige Bub ging einen mühevollen Weg zum Berufsziel. Abitur auf dem zweiten Bildungsweg, dann ein Physikstudium. Von den Eltern konnte er keine finanzielle Unterstützung erwarten. Der junge Mann beantragte staatliche Unterstützung nach BAföG. Über drei Jahre bezog er insgesamt rund 13.000 Euro, in Raten rückzahlbar nach dem Studium.

Vergessen hatte er allerdings, bei seinem BAföG-Antrag Opas Sparbuch anzugeben. Er habe nicht gewusst, dass das Sparbuch relevant sei, zumal er auch keinen Zugriff auf die Einlage gehabt habe. Lediglich die Zinsen seien ihm ausbezahlt worden. Dass es sich um Unwissenheit handelte, nahm die Staatsanwaltschaft dem bisher unbescholtenen Studenten nicht ab. Sie forderte eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten, ausgesetzt zur Bewährung; die Verteidigung Freispruch, weil keine Betrugsabsicht des Mandanten vorgelegen habe.

Für das Gericht stand der Betrug außer Frage, und das Urteil lautete: sechs Monate Freiheitsentzug, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, 100 Stunden Sozialarbeit und Zahlung der Prozesskosten. Das Amtsgericht bezog sich auf ein Urteil des Bayerischen Obersten Landgerichts von 2004, wonach der sogenannte BAföG-Betrug nicht als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat anzusehen sei. Was aus dem Studenten geworden ist, wissen wir nicht. Gut vorstellbar ist allerdings, dass er im Januar 2014 beim Lesen über den 83-jährigen Theo Sommer ins Grübeln über das Rechtssystem geriet.

Der hatte nämlich zwischen 2007 und 2011 fällige Steuern in Höhe von 650.000 Euro nicht gezahlt. Das Hamburger Amtsgericht verhängte eine Strafe von einem Jahr und sieben Monaten zur Bewährung sowie die Zahlung von 20.000 Euro.

Der Richter hielt dem Angeklagten zugute, den Schaden bereits wieder beglichen zu haben, und blieb knapp zwei Monate unter dem geforderten Strafmaß des Staatsanwalts. Sommers Anwalt hatte sich mit dem Strafrahmen einverstanden erklärt und eingeräumt, dass es sich um vorsätzliche Steuerhinterziehung gehandelt habe. Der Angeklagte selbst sagte, er wisse, was er getan habe, und es fielen Worte wie „bedauern“ und „töricht“. Gegenüber einer Hamburger Zeitung gab er zu, „aus Schusseligkeit oder Schlamperei vergessen zu haben, die Einnahmen über mehrere Jahre anzugeben“.

Er habe viel gearbeitet und sich nicht um seine Finanzen gekümmert. Aber er habe die gesamte Steuerschuld abgetragen. Unter großen Opfern für seine Altersversorgung und die seiner Frau. Ich, und wahrscheinlich auch der Student, zahle jeden Monat unter Inkaufnahme großer Opfer für die Altersvorsorge brav die Steuern.

Das allerdings Frau Merkel, dem Straftäter Hoeneß Respekt zollt, weil er seine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren antritt, setzt dem Ganzen noch die „Steuerhinterziehungskrone“ auf.

 

Großes Steuerehrenwort

Viktor