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Unterschätzter Wertschöpfungstreiber

Wie die Marke das Kommando übernehmen kann

von Dr. Annette Bruce und Christoph Jeromin
Das Dilemma ist bekannt: Das Marketing wünscht sich mehr Einfluss, wird aber vom Rest des Unternehmens als rein funktionale Abteilung gesehen, die eben dieses Unternehmen nach außen hin ins rechte Licht rücken soll – vornehmlich mittels der viel zitierten „bunten Bilder“. Dr. Annette Bruce und Christoph Jeromin erläutern, wie die Markenführung breiter wirken und zum echten Werttreiber werden kann, der für mehr als ein gutes Image sorgt.

Eine starke Marke ist für Unternehmen ein bedeutender Wertschöpfungstreiber. Diese Erkenntnis ist nicht neu, schon gar nicht im Getränkemarkt als Teil der Konsumgüterindustrie, die einer der Vorreiter im Bereich Markenaufbau und -führung ist. Andererseits gibt es aber wenige Branchen, in denen es heute anspruchsvoller ist, eine starke Marke zu entwickeln oder diesen Status zu halten. In so gut wie jeder Getränkekategorie ist die Auswahl an Marken groß bis unüberschaubar, die Differenzierung auf Produktebene ist schwierig, und die immer stärker und jetzt auch häufiger hochwertig positionierten Handelsmarken hatten das Segment schon früh für sich entdeckt. Vor dieses Angebot gestellt, sind viele Konsumenten heute viel weniger markentreu oder – anders formuliert – deutlich preisbewusster geworden.

Marken können mehr als Werbung

Vor ähnlichen Herausforderungen stehen nicht nur Markenartikler in der Getränke-Industrie. In einer aktuellen Entscheiderstudie von Creative Advantage (siehe Kasten) schätzen 64 Prozent der Befragten die zukünftige Veränderungsintensität in ihrer Branche als hoch oder sehr hoch ein. Vor diesem Hintergrund zeigen die Ergebnisse der Studie die nach wie vor ungebrochene Wertschätzung für das Thema Marke. Für 88 Prozent der Teilnehmer ist die Marke ein wichtiger Wert- und Profittreiber, und in 65 Prozent der Fälle liegt in den befragten Unternehmen eine verbindlich dokumentierte Markenpositionierung vor. Betrachtet man aber den Einfluss, den die definierte Markenpositionierung auf die operative Arbeit hat, ist festzustellen, dass dieser nicht einmal innerhalb des Marketingmix durchgehend gegeben ist. Rund 90 Prozent der Befragten sehen zwar eine große oder sehr große Bedeutung für die Bereiche Markenführung und Kommunikation, dieser Wert nimmt jedoch in der Produkt- (67 Prozent), Preis- (58 Prozent) und Distributionspolitik (37 Prozent) teilweise stark ab.

In der Vergangenheit konnten mit dem eingangs geschilderten und in den Studienergebnissen zu beobachtenden funktionalen Marketingverständnis, das sich auf werbliche Kommunikation konzentriert, um ein langfristig konsistentes Markenimage aufzubauen, Wachstum und eine starke Marktposition erreicht werden. Doch in den veränderungsintensiven Märkten von heute ist mehr denn je ein ganzheitliches, funktions- und abteilungsübergreifendes Markenverständnis nötig, um das Wertschöpfungspotenzial einer starken Marke in Form von nachhaltiger Kundenbindung und der Erzielung einer profitablen Zahlungsbereitschaft auszuschöpfen. In Zeiten digitaler Transparenz und informationshungriger Kunden müssen die Haltung und das Versprechen einer Marke in allen Interaktionen zwischen Marke und Kunden eingelöst werden.

Unternehmensweite Entscheidungsleitlinien als Gebrauchsanleitung der Markenstrategie

In dynamischen Märkten, die häufig schnelle Entscheidungen fordern, braucht das Marketing Werkzeuge, die diese Entscheidungsfindung unterstützen. Oft hapert es allerdings bei etablierten Methoden der Markenführung in der Praxis genau daran. So sprechen 42 Prozent der in der Creative-Advantage-Studie befragten Unternehmensentscheider den eingesetzten Markenmodellen die Funktion ab, Leitlinien im Umgang mit grundlegenden Veränderungen der Marktsituation vorzugeben. In der praktischen Markenführung mangelt es in der Regel nicht an Strategien. Oft bleiben diese allerdings auf einem sehr abstrakten Niveau, da es keine oder nur wenige Anknüpfungspunkte für die operative Arbeit gibt. So besteht das Risiko, dass aufwendig entwickelte Markenstrategien und -positionierungen am Ende in die Schreibtischschublade wandern und sich nicht am Markt entfalten können. Zur Überbrückung dieser Lücke zwischen Strategie und Alltag hat sich die Übersetzung der Markenpositionierung in wenige unternehmensweit gültige Entscheidungsleitlinien bewährt. Diese geben Unternehmensentscheidern, gleich welcher Abteilung oder Hierarchieebene, konkrete Referenzpunkte an die Hand, um bei schwierigen Entscheidungen im Sinne der Markenstrategie zu handeln. Sie sind somit ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Implementierung der in einer Markenpositionierung festgelegten strategischen Ausrichtung über alle Touchpoints hinweg und lassen die Marke für den Kunden erlebbar werden.

Die implizite und erfolgreiche Anwendung solcher Prinzipien in der Unternehmens- und Markensteuerung lässt sich anhand von Beispielen aus dem Biermarkt zeigen. So konnte die Flensburger Brauerei den Gesamtausstoß im Geschäftsjahr 2014 um knapp 14 Prozent steigern (siehe dgw 5/2015), indem sie die Preispolitik konsequent an Produktqualität und Markenimage …
Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 6-7/2015