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Der Online-Weinmarkt in Deutschland und Europa

von Michael Pleitgen

Der Anteil des Online-Absatzes für Wein ist kontinuierlich gestiegen. Wein gehört zusammen mit Büchern zu den ersten Artikeln, die über das Internet angeboten wurden. Bereits in der Dotcom-Ära um das Jahr 2000 war Wein mit dabei. Auch die ProWein, die internationale Leitmesse für Weine und Spirituosen in Düsseldorf, registriert immer mehr Fachbesucher, die in diesem Bereich tätig sind.

Online-Weinmarkt in Deutschland

Wie im gesamten Online-Handel fällt eine exakte Erfassung des Marktvolumens aufgrund unterschiedlicher Messansätze und der Vielzahl der Online-Anbieter schwer. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GFK) nahm in ihre Studien auf Veranlassung des Deutschen Weininstitutes (DWI) Online erstmals für das Jahr 2013/14 als eigenen Absatzkanal auf. Nach den Erhebungen der GFK wurden in Deutschland im Jahr 2014 fünf Prozent des gesamten Umsatzes mit Wein über das Internet generiert. In absoluten Zahlen entspricht dies etwa 45 Mio. Litern Wein im Wert von rund 300 Mio. Euro. Der Durchschnittspreis für einen Liter Wein im Internet liegt mit 6,68 Euro auf dem Niveau des Fachhandels und damit deutlich über dem des Lebensmittelhandels von 2,89 Euro pro Liter, stellt das DWI dazu fest. Der relativ hohe Preis erstaunt nicht, denn der Online-Markt wurde bisher im Wesentlichen von Firmen bedient, deren Angebot im gehobenen Segment „5 Euro plus pro Flasche“ angesiedelt ist. Das Gesamt-Volumen für Weine über 5 Euro im stationären und Online-Handel beläuft sich nach Berechnungen der Universität Geisenheim auf etwa 1 Mrd. Euro. Die Online-Umsätze diesem Segment werden von Beteiligten auf etwa 150 Mio. Euro geschätzt.

Online-Anteil wird zunehmen

Es steht außer Frage, dass sich der Online-Anteil weiter vergrößern wird. Das Wachstum des Internethandels mit Verbrauchsgütern insgesamt wächst seit Jahren ungehemmt. Eine Branche nach der anderen wird für den Online-Handel erschlossen. Der Weinmarkt bleibt bei dieser Entwicklung nicht außen vor. So gaben in einer Anfang Oktober 2015 veröffentlichten repräsentativen Befragung des Studienganges Weinbetriebswirtschaft der Hochschule Heilbronn 57 % der Weinkäufer an, bereits ein-oder mehrmals Wein online gekauft zu haben. Nach ihren Kaufabsichten befragt, wollen zukünftig 73 % „online“ oder „sowohl stationär als auch online“ ordern.

Im oberen Preissegment sind bereits ganze Sortimentsteile ins Internet abgewandert. Zahlreiche stationäre und Katalog-Anbieter haben sich in den letzten Jahren aus dem Geschäft mit Grands Crus, großen Chateaus und Namen-Weinen verabschiedet, da dieses Geschäft – zum Teil auch grenzüberschreitend – jetzt im Internet stattfindet. Dank spezialisierter Suchmaschinen sind Angebote und Preise für die Käufer leicht zu vergleichen. Die grenzüberschreitende Logistik ist heute so organsiert, dass sich selbst für Endverbraucher die Order im Ausland lohnt.

Das Eingangspreis-Segment der Weine bis 5 Euro pro Flasche war für die bisherigen Anbieter nicht interessant. Die in diesem Segment zu erzielende Marge reicht bei der Kostenstruktur der meisten Anbieter nicht, um einen ausreichenden Gewinn zu erzielen. Für die aktuell auch mit Wein auf den Plan tretenden Lebensmittelhändler und erst recht die Discounter sieht die Kalkulation anders aus. In dem Masse, wie sie es schaffen, Lebensmittel in größerem Umfang auch online zu vertreiben, werden sich in den Warenkörben ihrer Kunden auch Weinflaschen wiederfinden. Auf die Frage: „Würden Sie dort (wo Sie online Lebensmittel kaufen) auch Wein oder Schaumwein kaufen?“ äußerten 87 % der in der Heilbronner Studie Befragten, sie würden auch bei den Lebensmittelhändlern ordern, wenn diese ein entsprechendes Angebot vorhielten.

Gute Aussichten also für die REWE Gruppe, die im Sommer 2015 ihre „Weinfreunde.de“ an den Markt brachte oder die Firma LIDL, die bereits seit Ende 2014 ihren Online-Wein-Shop massiv bewirbt. Anfang 2016 wird ALDI in Großbritannien in den Online-Handel einsteigen – als erstes wird dort Wein zu ordern sein. Es darf davon ausgegangen werden, dass ALDI nach einer positiv verlaufenden Testphase auch in anderen Märkten aktiv wird.

AMAZON – der weltweit größte Internethändler – ist in Deutschland schon seit 2010 mit einem eigenen Weinangebot am Markt, ergänzt um die Weine von Anbietern auf dem AMAZON Marketplace. Voraussichtlich 2016 wird der Lebensmittel-Lieferdienst „AMAZON fresh“, den es in den USA bereits seit 2007 gibt, auch in Deutschland starten. Angeboten wird das gesamte Lebensmittel-Spektrum einschließlich Frische. Dr. Kai Hudetz, Experte des Instituts für Handelsforschung in Köln (IFH) sagte beim diesjährigen Weinfachhandelstag in Heilbronn, er erwarte von „AMAZON fresh“ nicht nur eine Konkurrenz für den LEH sondern auch einen Push für den AMAZON-Weinabsatz.

Fachhändler haben zu kämpfen

Die Fachhandels-Anbieter im Online-Weinmarkt lassen sich grob in folgende Kategorien teilen:
Distanzhändler, die ihr Geschäft ins Internet verlagern. Dazu gehört der Marktführer HAWESKO, der 2014 eigenen Angaben zufolge 72,1 Mio. Euro im Online-Handel umsetzte. Weitere Anbieter wie BROGSITTER, PRO IDEE oder LUDWIG VON KAPF folgen mit großem Abstand. Einerseits können diese Händler auf einen bestehenden Kundenstamm aufbauen, die sie ins Internet mitnehmen. Andererseits ist der Online-Handel sehr schnelllebig und erfordert Experimentierfreudigkeit, schnelles Reagieren und kurzfristige Kursänderungen, die bislang nicht unbedingt zur Stärke der Kataloganbieter gehörten.

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 01-02/2016