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Bierjahr 2020: 
»Das Jahr des Krisenmanagements« (Michael Huber)

von Monika Busch.

Massive Auswirkungen der Coronapandemie sind weltweit in allen Bereichen deutlich spürbar. Viele Branchen sind stark betroffen. „Die Branchenentwicklung im Biermarkt 2020 besaß in jeder Hinsicht einen historischen Ausnahmecharakter, für die es in der Rückschau der letzten 70 Jahre kein annähernd vergleichbares Geschäftsjahr gab“, lautet ein Fazit der Brauerei Veltins.

Verstärkt durch den seit Anfang November 2020 bestehenden erneuten Lockdown, erreichten die Absatzverluste und Umsatzrückgänge der deutschen Brauereien für das Jahr 2020 historische Dimensionen.

„Die Situation ist dramatisch und in der Nachkriegszeit ohne Beispiel“, kommentiert Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bunds (DBB). Laut einer aktuellen Branchenumfrage des DBB melden immer mehr mittelständische und handwerkliche Brauereien drastische und nicht selten existenzbedrohende Umsatzeinbrüche. „Je größer das Gastronomie- und Veranstaltungsgeschäft einer Brauerei, desto verheerender die Verluste.“

Während einige Brauereien, die ihre Biere nur zu einem sehr geringen Teil in der Gastronomie absetzen, über keine oder nur einstellige Rückgänge beim Umsatz berichten, beklagt das Gros der Betriebe massive Einbrüche, die in einzelnen Fällen bis zu 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr 2019 betragen und zu hohen Verlusten führen, zu deren Ausgleich die Unternehmen Jahre brauchen werden.

Im Mittel haben die vom DBB befragten Brauereien mit Bier und Biermischgetränken im vergangenen Jahr 23 Prozent weniger umgesetzt als im Vorjahr. Insbesondere kleinere Betriebe mit bis zu 30 Mitarbeitern, die meist überdurchschnittlich stark vom ausbleibenden Gastronomieabsatz und der Absage von Festveranstaltungen betroffen sind, beklagen laut Verbandsumfrage Absatzrückgänge von 50 Prozent und mehr. Nur sehr wenige Brauereien, die ihre Biere überwiegend oder ausschließlich über den Handel anbieten, konnten 2020 das Vorjahresniveau halten.

Über alle befragten Brauereien hinweg ergab die Stichprobe ein Absatzminus von durchschnittlich 19 Prozent. Der Brauer-Bund hatte zwischen dem 16. Dezember 2020 und dem 13. Januar 2021 mehr als 80 Brauereien aller Größenklassen befragt. Knapp ein Viertel der Betriebe hat weniger als 30 Mitarbeiter, ein weiteres Viertel bis zu 60.

Die von Bund und Ländern ergriffenen Hilfsmaßnahmen für betroffene Brauereien werden von der Branche weit überwiegend als unzureichend bewertet. Mehr als drei Viertel der vom Verband befragten Brauereien (79 Prozent) gaben diese Einschätzung ab.

Nur jeder zehnte Betrieb erklärte, dass die Unterstützungsmaßnahmen von Bund und Ländern ausreichend seien. Elf Prozent konnten oder wollten die Hilfsmaßnahmen nicht bewerten. Vielfach wurde betont, dass zur Abwendung irreversibler wirtschaftlicher Schäden unbürokratische, schnellere und wirksamere Hilfen für betroffene Betriebe höchste Priorität haben müssten.

Unter Hinweis auf die enge Verbindung zwischen Brauwirtschaft und Gastgewerbe wird eine der Gastronomie ähnliche Unterstützung auch für die Braubranche eingefordert. Kritisiert wird in diesem Kontext insbesondere die Benachteiligung von Brauereigaststätten, die als Mischbetriebe keine Hilfe, die mit der für die sonstige Gastronomie gewährten vergleichbar wäre, beantragen können. Brauereien beklagen, dass sie erhebliche Mengen an Fassbier von der Gastronomie hätten zurücknehmen und vernichten müssen, ohne eine Entschädigung dafür zu erhalten. Aus Sicht vieler Brauereien wäre eine Wiederherstellung der alten Biersteuer­mengenstaffel geeignet, gerade kleineren Betrieben zu helfen.

Auch eine Verstetigung der Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie sowie die Einbeziehung von Getränken bleiben eine Kernforderung der Braubranche. Daneben sprechen sich die Betriebe für die Ausweitung von Verlustvorträgen aus sowie für eine Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes, eine Weiterführung der Kurzarbeiterregelung auch nach Ende des Lockdowns sowie eine Beschleunigung der staatlichen Impfprogramme.

Auf die Frage, welche Auswirkungen die Coronakrise mittelfristig auf die deutsche Brauwirtschaft haben könne, äußerte sich die Branche sehr besorgt. 91 Prozent der Betriebe befürchten den Verlust zahlreicher Absatzstätten durch eine Pleitewelle im Gastgewerbe. Eng beieinander liegen die Sorge vor höheren Steuern und Abgaben als Folge der Coronakrise (70 Prozent) und die Befürchtung, dass in der Braubranche eine deutliche Zahl von Betriebsaufgaben und Insolvenzen zu erwarten sei (66 Prozent). Eine Stärkung des Onlinehandels und der Lieferdienste erwarten 64 Prozent.

In einer digitalen Branchendiskussion am 15. Januar, an der auf Einladung des Deutschen Brauer-Bunds mehr als 100 Experten aus Getränkeindustrie und Getränkegroßhandel teilgenommen hatten, wurden die Zukunftsängste der Branche deutlich.

57 Prozent der online befragten Branchenkenner befürchten, dass eine mehrfache Verlängerung des Lockdowns erst Anfang bis Mitte April zu einer Wiedereröffnung des Gastgewerbes in Deutschland führen könnte, 29 Prozent rechnen sogar mit Mai. Nur 14 Prozent sehen bereits für Anfang bis Mitte März eine Perspektive.

52 Prozent der Branchenkenner erwarten, dass das Gastgewerbe 2021 nur 60 Prozent des normalen Umsatzes der Vorjahre 2018/2019 erwirtschaften wird. Jeder fünfte Befragte rechnet damit, dass 70 oder 80 Prozent möglich sein werden. Dass die Umsätze der Gastronomie dieses Jahr nur 50 Prozent oder weniger des Niveaus der Vorjahre erreichen könnten, befürchtet hingegen mehr als jeder Vierte.

Die Halbjahresbilanz zeigt, dass die deutschen Brauer einen Volumenverlust von 3,02 Millionen Hektolitern hinnehmen mussten, der auch in der zweiten Jahreshälfte unaufholbar war. Von „einem rabenschwarzen Jahr für den Biermarkt“ spricht die Radeberger-Gruppe: „Es war ein düsteres Jahr für die deutschen Brauer: Der monatelange, nahezu ersatzlose Ausfall des Außer-Haus-Geschäfts und aller Formen der Geselligkeit hat im Biermarkt zu massiven Verwerfungen und nie da gewesenen Absatzeinbrüchen geführt, von denen sich die Brauwirtschaft nur sehr langsam erholen wird.“

Für den Generalbevollmächtigten der Brauerei Veltins, Michael Huber, „wird der Eintritt ins neue Jahrzehnt für die Brauwirtschaft auf lange Sicht erfolgreich bleiben“. Jedoch stehe außer Frage, dass keiner wisse, wohin sich die Gastronomie in den nächsten drei bis fünf Jahren entwickeln werde – es wäre ein allzu gewagter Blick in die Glaskugel.