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Der kleine weiße Umschlag

Neulich waren mein Frauchen und ich mal wieder im Stadtpark Gassi gehen. Toll, da treffe ich immer alte Kumpels. So wie die griechische Hirtenhündin Vicky. Ihr Herrchen hat ein Restaurant. Früher war mein Frauchen öfter mal beim Griechen. Heute geht sie da nicht mehr hin. Sie meint, da sei das europäische Epizentrum der Korruption. Ach so ist das.
Vicky hat immer über mich gelästert, weil ich so ’ne doofe Steuermarke trage. Da wo sie geboren ist, gibt’s das nicht. Da zahle der Mensch keine Steuern und für seinen Hund schon mal gar nicht. Da werde alles über Fakelaki geregelt. „Ja, das kenn ich, das hat mein Frauchen immer gerne bei euch gegessen.“ – „Quatsch, das kann man hier nicht essen, das bekommt jeder Grieche mit der Muttermilch. Fakelaki ist nämlich ein Weg, um keine Steuern zu zahlen. Fakelaki ist der finanzielle Beitrag, immer an der Steuer vorbei. Getreu dem Motto ‚Hilfst du mir, helfe ich dir‘.“
Vicky meint, ihr Herrchen Stavros finde aber, dass einige bei uns auch einen ordentlichen Schluck davon genommen hätten. „Nee, das kann ich nicht glauben.“ – „Doch“, meint Vicky, „schau dich doch mal hier im Park um. Da hinten der dicke Rottweiler. Der gehört einem Siemens-Vorstand und der kleine Schnauzer einem Chef von Daimler. Die tragen keine Steuermarken. Und selbst der Pekinese da hinten trägt keine. Sein Herrchen hat ein Chinarestaurant. Schau, der Bullterrier, der aus dem Maserati steigt. Sein Herrchen finanziert Auto und Villa mit Spendengeldern. Und der junge Priester, der mit dem Hund, sein Chef kauft sich von Spendenkohle teuren Wein und Kunstwerke.
Mein Herrchen meint sogar, die machen Fakelaki in Reinkultur, da können wir Griechen uns aber hinter der Akropolis verstecken.“
„Wieso, mein Frauchen hat gesagt, die Griechen sind pleite und die Chinesen Weltmarktführer.“ – „Nee Viktor, wir können nicht pleitegehen. Wenn wir keine Kohle mehr von der Bank bekommen, dann müssen uns unsere europäischen Freunde helfen. Wir sind eben ein systemrelevantes Land. Und mein Herrchen meint sogar, die Deutschen sind clever. Die geben dem Weltmarktführer jedes Jahr 70 Millionen Entwicklungshilfe. Auch so eine Art Fakelaki. Das zahlt sich doch irgendwann mal aus. Oder?“
Mir egal, ob Gyros oder Frühlingsrolle, mein Frauchen zahlt pünktlich seine Steuern. Und manchmal legt es abends so eine alte Schallplatte auf und trällert „Tote Hosen aus Athen“. Dann wird es immer ganz traurig und meint, wir sollten die Griechen jetzt mal unterstützen. Morgen Abend gehen wir mal wieder einen schönen Rhodos-Teller essen – mit Fakelaki, versteht sich.

Euer Viktor