Frauchen saß in der Küche, las Zeitung und trank den Frühstückskaffee, als der coole Neffe kam. „Hallo, so früh schon auf, ich denke, du bist Student?“, fragte sie süffisant. – „Na hör mal, die Zeiten sind vorbei“, klagte der Neffe. – „Ich lese gerade, wir sollen mehr grüne Produkte kaufen. Was meinst du dazu?“, fragte Frauchen. „Du studierst doch was mit Wirtschaft.“
„Lass dir von den Politikern nichts erzählen. Schau mal, was da im Ländle passiert“, lachte der Neffe. „Der Kretschmann sagt doch allen Ernstes, das Ländle solle eine Industrieregion mit grünen Produkten werden. Ökonomie und Ökologie gehörten zusammen. Die Autobauer brauchen sich wegen der grünen und etwas roten Regierung keine Sorgen zu machen, die sollen einfach Autos mit weniger Spritverbrauch bauen, dann hat die Branche auch eine Zukunft. Macht sie’s nicht, hat sie keine.“
„Ja, aber das ist doch gut so, das schont die Umwelt“, meinte Frauchen. – „Na klar, wenn alle in ein Autohaus gehen und ihre grünen Wünsche formulieren, werden die Hersteller sich schnell was überlegen. Dazu brauchen sie die Politik nicht. Dann entscheidet der Kunde durch sein Kaufverhalten, was die Industrie Marktforschung nennt“, erklärte der Neffe.
„Wenn die Kunden das wollen, wird das dann auch gebaut?“, fragte Frauchen. – „Ja, wenn“, lachte der Neffe, „bloß macht das keiner.“ – „Wieso?“ – „Die wären absolut in der Lage, ein Auto zu bauen, das nur drei Liter Sprit verbraucht“, so der Neffe. „Aber wer will denn ein Auto, in dem man wegen des Windwiderstands hintereinander sitzt, das nur drei Räder hat und lediglich 80 Stundenkilometer fahren kann und das zu alledem miserable Zuladungswerte hat, da auch ein Kofferraum transportiert werden muss und Benzin verbraucht?“, wetterte er.
„Aber wenn alle ein solches Auto wollen, müssen sie es doch nur in entsprechender Zahl bestellen und auch bezahlen“, konterte Frauchen. – „Genau“, so der Neffe, „das nennt man dann Marktwirtschaft.“ – „Aber wenn die Leute jetzt mehr laufen, Rad oder Eisenbahn fahren, würde es doch der Umwelt helfen?!“, meinte Frauchen. „Siehste, jetzt kommen wir der Sache schon näher, aber da haben die im Ländle das nächste Problem“, grinste der Neffe. „Dann wäre der Widerstand gegen Stuttgart 21 einfach nur doof, dann würde aus dem Kopf- ein Durchgangsbahnhof, der öffentliche Nahverkehr würde gefördert und Bahnfahren wäre attraktiver.“
„Aber die Grünen wollen den neuen Bahnhof nicht und machen einen Volksentscheid“, meinte Frauchen. – „Das ist doch der Trick“, lachte der Neffe. „Wenn die Bürger im Ländle sich für S21 entscheiden, sagt der grüne Chef: ‚Der Bürger hat entschieden.‘ Also, wenn ich mir dieses Parteiprogramm ansehe, stelle ich nur fest, dass es einfach zu billig ist. Um ein grünes Produkt zu bekommen, muss ich nicht Politiker werden. Das kann ich ganz einfach dadurch erreichen, dass ich im Geschäft danach frage und etwa beim Neuwagenkauf schon die Erwartung für den nächsten Wagen formuliere. In einem gesunden Betrieb entscheidet der Kunde durch sein Kaufverhalten, was er haben will, und die Angestellten müssen dann überlegen, wie man das Produkt herstellt. Mit anderen Worten: Das Parteiprogramm ist ein Fiasko, denn die von Kretschmann geforderten Produkte gibt es nur deshalb nicht, weil sie keiner kaufen will.“
Glaubt Ihr ernsthaft, man könne kein Auto bauen, das weniger verbraucht als drei Liter Benzin auf 100 Kilometern? Aber wenn Ihr ein solches Auto wünscht, braucht Ihr keinen Herrn Kretschmann. Ihr müsst nur in entsprechender Zahl das Auto wollen, bestellen und auch bezahlen.
Euer Viktor