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Ich bin dann mal weg

Neulich hatte mein Frauchen Besuch. Ihre Freundin war da und hatte meinen alten Kumpel gleich mit dabei. Mit dem habe ich immer super gespielt. Leider ist er mit Herrchen und Frauchen ausgewandert. Die wohnen jetzt in der Schweiz. Die Freundin meinte, das sei eine gute Entscheidung gewesen. Ihr Mann ist Arzt und sie ist Hotelfachfrau. Er verdient dort besser als bei uns, hat tolle Arbeitszeiten und fühlt sich nicht als Krankenhausbeamter, und sie verdient fast das Doppelte bei weniger Steuern. Da geht es meinem Kumpel ja richtig gut. Mein Frauchen meinte, dass es neulich gelesen habe, dass alle vier Minuten ein Deutscher sein Land verlasse. Das habe es seit 120 Jahren nicht gegeben. „Ja“, sagte die Freundin, „und es ist der gebildete Mittelstand, der geht, nicht wie im 19. Jahrhundert die Bauern und Analphabeten.
Hier bei euch in der Heimat reden alle von Mindestlohn oder den Boni der Manager. Die Politiker zerbrechen sich die Köpfe, wie sie den Wohlstandskuchen besser verteilen können, ohne zu merken, dass diejenigen, die den Kuchen backen, das Land verlassen. Der Mittelstand stimmt mit den Füßen ab.“ – „Ja, genau, und ich mit den Pfoten“, meinte mein Kumpel.
Frauchen meinte auch, da breche ein Teil des Mittelstands weg, der keinen Bock auf Schikane durch Steuererklärungen und immer höhere Abgaben habe und dann noch seine Kinder in schlechte Schulen schicken müsse.
„Ja“, schimpfte die Freundin, „und dann der Wettbewerbsdruck. Da wird bei euch denen ganz unten und denen ganz oben geholfen. In der Mitte bleibt nichts hängen. Schau mal: Mittlerweile haben 18.000 Mediziner das Land verlassen. Eine teure Subvention der Steuerzahler, wenn man mit einer teuren Ausbildung das Land verlässt.“
Also mein Kumpel meinte, sein Herrchen sage immer, wenn die Autobahnen in Andalusien inzwischen besser seien als im Ruhrgebiet, unsere Schulen neben denen in Skandinavien wie Bruchbuden aussähen, wenn ein deutscher Krankenhausarzt nur noch so viel verdiene wie ein Pförtner in Abu Dhabi, wenn eine Facharbeiterfamilie so hohe Steuern und Sozialabgaben zahle, dass ihr weniger bleibe als einem Koch in Zürich, dann gingen sie eben. Immer mehr Menschen merkten, dass ihnen Deutschland immer weniger biete. Oh Hund, oh Hund, hoffentlich will mein Frauchen nicht auch weg. Als die Freundin mit meinem Kumpel gegangen war, haben mein Frauchen und ich es uns so richtig gemütlich gemacht. „Ach Viktor“, seufzte mein Frauchen, „ob das alles so richtig ist – zu Hause ist es doch am schönsten.“ Und dann haben wir uns „Goodbye Deutschland“ im Fernsehen angeschaut.

Euer Viktor