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Bierjahr 2022: Rückblick und Ausblick

Bierjahr 2022: Rückblick und Ausblick

von Monika Busch.

Coronapandemie, gestörte Lieferketten, Ukrainekrieg: Die Auswirkungen sind allerorts massiv spürbar. Die Kosten entlang der Lieferketten steigen in allen Teilbereichen enorm an. Wie die meisten Wirtschaftszweige sind auch die deutschen Brauereien mit massiven Kostensteigerungen konfrontiert. Nach einer Analyse des Deutschen Brauer-Bunds haben sich neben den Kosten für Gas und Strom zuletzt vor allem Braumalz und Verpackungsmaterialien drastisch verteuert. Kohlensäure, deren Preis sich zwischenzeitlich nahezu verdoppelt hatte, war zeitweise überhaupt nicht mehr auf dem Markt verfügbar, sodass 2022 einzelne Betriebe der Getränkeindustrie die Produktion stoppen mussten. Hier hat sich die Lage aber deutlich entspannt.
Zahlreiche Brauereien in Deutschland stehen vor einem äußerst schwierigen Geschäftsjahr und haben für 2023 bereits Preiserhöhungen angekündigt. Nach Einschätzung des Deutschen Brauer-Bunds hat sich die Branche in den vergangenen Jahren als äußerst widerstandsfähig erwiesen und sich in den Krisen insgesamt erfolgreich behaupten können.
Nach einem turbulenten Jahr 2022 ziehen die Brauereien Bilanz und blicken teilweise verhalten optimistisch auf die kommenden Monate. Von der Rückkehr des Fest- und Veranstaltungsgeschäfts, dem Aufschwung der Gastronomie und einem guten Sommer konnte 2022 deutlich profitiert werden. Auch im Handel wurden die Marktanteile teilweise gesteigert.
Es gibt aber auch die Kehrseite: Der Bierabsatz in Deutschland sinkt seit Jahren tendenziell. Vergangenes Jahr fiel er laut Statistischem Bundesamt gegenüber dem Vorjahr um 2,2 Prozent auf rund 8,5 Milliarden Liter. Seit 1993 beträgt das Minus sogar 23,9 Prozent.
Erste Betriebe reduzierten schon Kapazitäten und schlössen Standorte, sagt Walter König, Geschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds. Er betont, dass die Lage bundesweit ähnlich sei. Auch ganze Brauereien müssten nach Hunderten Jahren aufgeben, berichtet er. Schon in der Coronakrise habe man Ähnliches befürchtet, doch dann sei es nicht so schlimm gekommen, weil die Betriebe teilweise an die eigene Substanz gegangen seien. Eigentlich müssten die Brauer die Bierpreise um zwei, drei oder sogar fünf Euro pro Kasten anheben, sagt er. Doch das sei am Markt nicht durchsetzbar – unter anderem, weil es deutliche Überkapazitäten und einen sinkenden Verbrauch gebe. Doch jetzt sei man „am Ende der Substanz angekommen“, und viele müssten die Entscheidung treffen, den Schlüssel umzudrehen und aufzuhören, statt noch mehr Schulden zu machen.
Beispielsweise schließt die Radeberger-Gruppe den Standort Frankfurt (Binding) trotz erheblicher Proteste und Widerstände aufgrund „drastisch gestiegener Kosten des Produktions- und Abfüllbetriebs“. „Die Radeberger-Gruppe wird den Produktions- und Abfüllbetrieb an ihrem Frankfurter Standort, also der Binding-Brauerei, bis spätestens Oktober 2023 einstellen sowie die dort produzierten und abgefüllten Marken und Mengen schrittweise an Schwesterstandorte verlagern“, teilte die Gruppe mit. Für den Standort Gotha und die Mitarbeiter hingegen hat sich alles zum Positiven gewendet: Der ehemalige Oettinger-Standort sowie die Beschäftigten wurden von der Paulaner-Brauerei-Gruppe übernommen (dgw 10–12/2022).
Dauerhaft geschlossen ist der Geschäftsbetrieb der traditionsreichen Privatbrauerei Bischoff mit Sitz in Winnweiler (dgw 10–12/2022). Einen Insolvenzantrag hat auch die Münchner Jakobiner Bräu GmbH gestellt. Die Gesellschafter hätten sich gegen weitere Investitionen entschieden, heißt es. Geschäftsführer Mirco Hell war mit seiner unfiltrierten Marke Vinzentiner auf der Internorga 2022 gestartet und berichtete von sehr guter Resonanz (dgw 6–7/2022), doch offenbar blieben die erhofften Listungen aus.

Bierabsatz 2022 mit leichtem Anstieg

Die in Deutschland ansässigen Brauereien und Bierlager haben 2022 insgesamt rund 8,8 Milliarden Liter Bier abgesetzt. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, stieg damit der Bierabsatz gegenüber dem Vorjahr um 2,7 Prozent beziehungsweise 232,6 Millionen Liter. In den Zahlen sind alkoholfreie Biere und Malztrunk sowie das aus Staaten außerhalb der Europäischen Union eingeführte Bier nicht enthalten.
82,5 Prozent des gesamten Bierabsatzes waren für den Inlandsverbrauch bestimmt und wurden versteuert. Der Inlandsabsatz stieg im Vergleich zu 2021 um 4,0 Prozent auf 7,2 Milliarden Liter. Gegenüber 2019, dem Jahr vor der Coronakrise, war der Inlandsabsatz 2022 allerdings noch um 5,0 Prozent niedriger. Steuerfrei (als Exporte und als sogenannter Haustrunk) wurden 1,5 Milliarden Liter Bier abgesetzt. Das waren 2,7 Prozent weniger als 2021 und 4,7 Prozent weniger als 2019. Davon gingen 805,1 Millionen Liter (+7,8 Prozent) in EU-Staaten, 715,9 Millionen Liter (−12,4 Prozent) in Nicht-EU-Staaten und 11,3 Millionen Liter (−3,4 Prozent) unentgeltlich als Haustrunk an die Beschäftigten der Brauereien.
Auch bei den Biermischungen – Bier gemixt mit Limonade, Cola, Fruchtsäften und anderen alkoholfreien Zusätzen – war im Jahr 2022 ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Gegenüber dem Jahr 2021 wurden 0,5 Prozent mehr Biermischungen abgesetzt. Sie machten mit 443,6 Millionen Litern allerdings nur 5,1 Prozent des gesamten Bierabsatzes aus.

Bierabsatz mit deutlichen saisonalen Schwankungen

Im Jahresverlauf war der Bierabsatz in den Frühjahrs- und Sommermonaten deutlich angestiegen, im Herbst und Winter ging er wieder zurück. Großveranstaltungen wie Fußballweltmeisterschaften hatten in den vergangenen Jahren im Sommer meist für mehr Absatz gesorgt. Ein solcher Effekt blieb während des Turniers in Katar im Winter 2022 weitgehend aus.
Langfristig geht der jährliche Bierabsatz in Deutschland kontinuierlich zurück. Allein in den letzten zehn Jahren ist er um 7,4 Prozent gesunken.

Bayerns Brauwirtschaft fasst nach Corona wieder Tritt

Die bayerische Brauwirtschaft ist „besser als erwartet“ durch die Coronakrisenjahre gekommen. Das teilte der Bayerische Brauerbund im Rahmen seiner Jahrespressekonferenz in München mit. Der Gesamtbierabsatz konnte mit knapp 24 Millionen Hektolitern gegenüber dem Vorjahr um 2,6 Prozent zulegen. Hinzu kommen 2,11 Millionen Hektoliter alkoholfreies Bier – laut Bayerischem Brauerbund ein Zuwachs von gut 9,5 Prozent. Bayern sei damit das einzige Bundesland, das sogar das Ausstoßniveau von 2019, also vor der Coronakrise, um rund 16 Millionen Maß übertreffen konnte.
Er erlebe wieder „Lebensfreude pur bei einem Glas Bier“, fasste Georg Schneider, Präsident des Bayerischen Brauerbunds, die aktuelle Lage zusammen. Maßgeblichen Anteil an der positiven Entwicklung hatte nach Angaben des Brauerbunds der anhaltende Siegeszug des bayerischen Hellen auch außerhalb Bayerns, das neben Weißbier in besonderer Weise für bayerische Braukompetenz stehe.
Mit einem Exportvolumen von 5,75 Millionen Hektolitern hätten Bayerns Brauer das zweitbeste Exportergebnis ihrer Geschichte erzielt. Nahezu jedes vierte in Bayern gebraute Bier werde im Ausland getrunken.
Der Bierabsatz nach Russland, vor dem Krieg hinter Italien zweitwichtigstes Zielland bayerischer Bierexporte, sei nahezu zum Erliegen gekommen, jedoch hätten namhafte Exporterfolge der bayerischen Brauereien in Ländern der EU diese Lücke nahezu vollständig schließen können.

NRW: Biernachfrage 2022 sehr robust

Was die Biernachfrage der NRW-Brauwirtschaft betrifft, meldet sich die Brauerei Veltins zu Wort. Der nordrhein-westfälischen Brauwirtschaft sei es 2022 vor allen anderen Bundesländern gelungen, die meiste Biermenge in ihre Sudkessel zurückzuholen. Nach den Pandemiejahren legten die Brauereien zwischen Rhein und Weser laut Statistischem Bundesamt um 1,44 Millionen Hektoliter gegenüber dem Vorjahr zu (+7,1 Prozent).
„Trotz der deutlichen Kostenbelastungen können wir in NRW guten Mutes sein, weil die Menschen weiterhin Lust aufs Bier ihrer Lieblingssorten haben“, sagt der Veltins-Generalbevollmächtigte Michael Huber zur Marktentwicklung im zweitstärksten Biermarkt Deutschlands. Tatsächlich hätten sich die nordrhein-westfälischen Brauereien mehr als die doppelte Ausstoßmenge ihrer Kollegen aus dem absatzstärksten Bundesland Bayern zurückgeholt (2022: 602.000 Hektoliter, +2,6 Prozent).
Nordrhein-Westfalen ist und bleibt eine Pilsener-Hochburg. Rund 54 Prozent der im Handel verkauften Biere gehörten laut Nielsen zur feinherb gehopften Biersorte. Auf Platz zwei folgt Kölsch mit 8,7 Prozent, danach die alkoholfreien Biere mit 7,5 Prozent Absatz im Handel. Damit seien die Sortenpräferenzen in Nordrhein-Westfalen deutlich anders ausgeprägt als im gesamten Bundesgebiet, wo die Sorte Helles im letzten Jahr auf Platz zwei gelandet sei und bereits einen Sortenanteil von 9,6 Prozent habe. Die nordrhein-westfälischen Biertrinker hingegen könnten der folkloristisch anmutenden, weiß-blauen Bayernsorte mit einem Absatzanteil von nur 3,7 Prozent eher weniger abgewinnen, heißt es. Tatsächlich hat auch Weißbier als typische Sommersorte mit einem Flaschenbieranteil von ebenfalls 3,7 Prozent (−11 Prozent) im Handel weiterhin an Bedeutung verloren. …

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 3/2023