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Gastro-Trendreport 2023/24

von Pierre Nierhaus

Erneut musste sich die Hospitality Branche einem schwierigen Jahr stellen. Corona-Pandemie, Krieg und Inflation beeinflussten Politik, Wirtschaft und Menschen weltweit. Inmitten dieser Herausforderung die Gastronomie, die zwischen Freude über die Rückkehr der Gäste und der Bewältigung steigender Kosten, fehlender Mitarbeiter und schwieriger Logistik schwankte. Einmal mehr stellten die Gastronomen ihre Flexibilität und Bereitschaft zu Veränderung sowie ihren Zukunftsglauben unter Beweis, so das Fazit von Trendexperte Pierre Nierhaus.

Food & Beverage sind der Klebstoff der Gesellschaft

Viele Punkte aus seinem Trendreport 2022/23 haben sich bewahrheitet, neue Aspekte kamen dazu. Auch in seinem Trendreport 2023/24 blickt Pierre Nierhaus auf die gesamte Hospitality Branche – national wie international. Aus konzeptioneller sowie unternehmerischer Sicht analysiert er die wichtigsten Entwicklungen in allen Bereichen, die mit F&B zu tun haben.
Neben Gastronomie, Hotellerie, Gemeinschaftsverpflegung, Bäckereien sind dies Tourismus und Shopping, denn mehr denn je sind Gastro-Konzepte Magnet und Ankerpunkt für Stadtentwicklung und die Belebung von Innenstädten und Stadtvierteln.
Die Einschätzungen von Pierre Nierhaus beruhen auf seiner Kompetenz und Erfahrung als Trendexperte für Hospitality und Lifestyle sowie als Gastro-Unternehmer und Konzeptentwickler. Durch seine internationalen Trendreisen und seine engen Kontakte zu Innovatoren, Machern und Unternehmern ist er einer der Ersten, der Trends und Innovationen entdeckt, sie der Branche vorstellt und beim Transfer unterstützt.

Prognose
Die Kumulation der Herausforderungen treibt die Professionalisierung in der Gastronomie weiter voran. Weiche Faktoren wie Wertschätzung und Gastlichkeit, Emotionen und Erlebnisse sind 2023/24 die Basis für Erfolg. Obwohl sich die Zahlen in 2022 gut erholt haben, stehen die Unternehmen, insbesondere die Hotellerie, auf der Investitionsbremse.
Wenn sich zum Jahresstart die Energiesituation entspannt und eine neue Pandemiewelle ausbleibt, ist davon auszugehen, dass im Frühjahr der Startschuss für Investitionen fällt.

Was war, was bleibt

Die Mega-Trends wie Digitalisierung, Gesundheit und Urbanisierung bleiben. Drängende Themen sind Nachhaltigkeit und Klimaschutz, Sicherheit und Frieden. Die Hospitality Branche ist von den Auswirkungen der politisch und wirtschaftlich schwierigen Gesamtlage betroffen. Die Verknappung von Ressourcen und Inflation führen zu hohen Kosten und Lieferengpässen. Mitarbeitende fehlen bzw. kommen nur langsam zurück. Speziell in Deutschland, Österreich und der Schweiz machen sich viele Menschen Sorgen. Sie bleiben zuhause und verändern ihr Konsumverhalten (günstiger, weniger Gänge). Gewinner sind die Plattformen (UBER EATS, Paypal, Lieferplattformen) und die Systemer sowie die Snack- und Quickservice-Gastronomie.

Revolution Inside: die Branche stellt sich von innen heraus neu auf

Systemer und Individualgastronomie haben sich während der Corona-Pandemie digitaler, flexibler und in der Kommunikation neu aufgestellt. Davon profitieren sie jetzt. Die großen sozialen Netzwerke wie TikTok und Instagram geben selbst kleinen Betrieben die Chance, kostengünstig ihre Story zu erzählen. Auf breiter Ebene ist die Erkenntnis da, dass Glaubwürdigkeit elementar wichtig ist – dokumentiert durch gutes Storytelling. Denn Essen und Trinken allein reicht nicht. Die Gäste wollen sich wohlfühlen und etwas erleben.
Hospitality hat auf breiter Basis Wertschätzung erfahren. Jetzt gilt es den Sprung in die Zukunft zu tun: Dazu sollte die Branche die jetzt erreichte Anerkennung als Chance nutzen, professioneller, einfacher, glaubwürdiger und selbstbewusster zu werden. Überlebenswichtig in der Zukunft sind selbstbewusstes Pricing (Deckungskosten), glaubwürdige Nachhaltigkeit und Fairness (Produkte, Herstellung, Lieferketten, Green Cleaning). Enttarnt wird Greenwashing und schadet letztlich dem Image. Grundvoraussetzungen sind Gesundheit und Sicherheit (auch Lebensmittelsicherheit).

Gastronomie ist systemrelevant

Die Gastronomie macht alle Plätze, wo Menschen leben, arbeiten, wohnen und ihre Freizeit verbringen, erst lebenswert. Ohne Gastronomie verlieren Innenstädte, ländliche Regionen und Einkaufszentren ihre Attraktivität und damit langfristig ihre Basis. Gastronomie ist ein nicht zu ersetzender Faktor in der Wirtschaft und im gesellschaftlichen Leben. 12–15 % Lebenszeit verbringt jede Person in der Gastwelt.
Die Wertschöpfungsnetzwerk ist größer als erwartet: 4,1 Mio. Beschäftigte bestreiten in Deutschland direkt und indirekt ihren Lebensunterhalt in und durch die Gastronomie. Dieser Anteil liegt 30 % höher als in bisherigen Betrachtungen (3 Mio. = 9 % der Beschäftigten). Mit 355,3 Mrd. Brutto-Wertschöpfung (WTTC Daten) ist die Gastronomie damit auf Platz 2 nach der Automobilindustrie und vor Maschinenbau und Einzelhandel. Diese Wertschätzung sollte für alle in der Hospitality Tätigen Ansporn und Motivation sein, die Branche weiter voranzubringen. Lasst uns gemeinsam diese Chance nutzen!

Thema 1: Food

Essen macht Sinn

Nachhaltigkeit in allen Bereichen war 2022 das große Thema. In 2023 wird sich dieser Trend weiter verstärken und in der Breite sowie Professionalität zunehmen. Bei Food bildet er die Klammer für verschiedene Entwicklungen. Im Mittelpunkt stehen Tierwohl, Plant Based und Zero Waste.

Generation Z: Mit Essen die Welt retten

Immer mehr Menschen entscheiden sich für bewusstes Essen. Für die Generation Z gehört es zur Selbstdefinition: Mit (richtigem) Essen die Welt verbessern. Pflanzenbasierte Küche ist zuerst im Handel und jetzt auch in der Gastronomie angekommen (Erfolgsidee: Veganuary).
Der Anteil der Vegetarier in Deutschland stieg in nur zwei Jahren von 5 % auf 10 %, vegan ernähren sich 2 % der Bevölkerung. Auf Fleisch nicht verzichten möchten 45 %. Allerdings sind 6 % bereit, mehr für ökologisch zertifiziertes Fleisch zu bezahlen. Zukunftsthemen hierzulande sind Cultivated Meat und Insekten. Unternehmen mit ganzheitlich nachhaltiger Philosophie sind in den Markt eingetreten wie das Food-Tech-Unternehmen ORGANIC. Von der eigenen Farm, eigenen Eateries (10 Betriebe in Planung) bis zu Business und School Nutrition wird die volle Wertschöpfungskette bedient. Digitale Technik wird
u.a. für VerticalFarminggenutzt..

Fazit:
Nachhaltigkeit soll Spaß machen, lecker schmecken, frisch und gesund sein. Deshalb: Bio gerne, aber Bio plus Regionalität ist besser. Diese Kombination un- terstützt Glaubwürdigkeit und Authentizität und liefert Stoff fürs Storytelling. Siegel sind nicht mehr so wichtig.

Thema 2: Getränke

Zuckerfrei mit wenig Alkohol
Im Cocktailbereich hält der Trend zu den Low Alkohol-Getränken weiter an. Apérogewinnt weiter an Beliebtheit. Gin bleibt die Lieblingsspirituose und wird fruchtig, auch in der Kombination mit Beeren. Generell werden Getränke, auch Cocktails, mit wenig oder Zero Zucker bevorzugt. Auch die beliebten Schorlen wünschen sich die Gäste am liebsten zuckerfrei. Bier kehrt zurück und erreicht leichte Zuwächse. Wein hat durch die Pandemie viele neue Fans gewonnen und wird auch in der Gastronomie stärker. Smoothies und Säfte bleiben – selbstgemacht, frisch, natürlich, ohne Konservierungsstoffe.

Neue Weinfans durch die Pandemie – gut für die Gastronomie

Bei den Heißgetränken wächst der Anteil von Teespezialitäten kontinuierlich ebenso wie die Nachfrage nach Premiumtees. Im Kaffeesegment ist Cappuccino wieder da und hat Latte Macchiato, Lieblingsgetränk im deutschsprachigen Raum, auf Platz 2 verdrängt. Espresso auf Platz 3 wird in unserer Region immer beliebter, gerne ergänzt mit Hafer- und Sojamilch & Co. Aufregend neu und nachhaltig: Das Startup ATOMO hat einen bohnenfreien Nuklearkaffee basierend auf Dattelkernen auf den Markt gebracht.
In der Bar- und Clubszene setzt sich der Trend zur reduzierten Auswahl mit Signature Drinks fort. Riesige Barkarten sind out. Dafür kommt als Ergänzung originelles Bar Food auf hohem Niveau. Die Clubs werden professioneller, exklusiver (Disco Empire, St. Martin, mit Erlebnis- und Serviceangeboten) und größer (Alando, Osnabrück, für bis zu 8.000 Gästen).

Thema 3: Restaurants

Sterne, Sternschnuppen und Systemer
Führende Unternehmen in der Premium Hospitality werdenzu globalen Playern. Mit der Übernahme der HakkasanGroup im April 2021 verfügt die US amerikanische TAO Hospitality Group jetzt über 70 Großbetrieben in 20 Destinationen auf 5 Kontinenten. Von London in die Welt gehen britische Unternehmen mit ihren Marken wie Zuma oder jetzt die Caprice Holding, die mit Sexy Fish in Miami den US Markt betritt. In Europa mischt die Big Mama Group die Szene mit ihren opulenten Casual-Konzepten auf. In 9 Städten ist das französische Unternehmen vertreten, darunter London mit drei Betrieben (Typ: “SpectacularItalian”), jetzt neu in Berlin (Coccodrillo) und München (Giorgia). In Deutschland ist die Systemgastronomie-Kette L’Osteria die erfolgreichste Restaurantgruppe mit europaweiter Expansion.

Positiver Corona Effekt: Viele Gemeinden haben deutlich mehr Außengastronomie genehmigt

Hierzulande liegt bei den Konzepten die mediterrane Küche nach wie vor vorn. Levantinisch, speziell die Küche Israels, wird breitentauglich. Zur Pizza gesellt sich Pinsa. Asien bleibt. Burger als Produkt sind Klassiker, aber der Markt für reine Burgerkonzepte ist gesättigt. Deutsche Küche bleibt beliebt mit vertrauten Gerichten, häufig modern interpretiert. Küchenstile aus aller Welt sind nach wie der Kurztrip für wenige Stunden.
In der Sternegastronomie setzt sich der Trend zu entspanntem Dining fort. Der erste Stern wird lockerer, das Essen und die Idee entscheiden. Unter den Restaurantführern gilt der Michelin immer noch als der „seriöseste“, weil er im Dschungel der (selbsternannten) Listen kuratiert. …

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 3/2023