von Dr. Ralf Mayer de Groot
53 Prozent der Herstellermarken verlieren aktuell Marktanteile, weitere 20 Prozent stagnieren – oft trotz häufiger Rabattaktionen. Die Werbewirkung, Markenfaszination und Kundentreue sinken. Was sollte man dagegen tun? Und welche Fehler möglichst vermeiden? Denn 77 Prozent aller Turnaround-Versuche scheitern (meist mehrfach) in den ersten fünf Jahren.
Die wenigsten Relaunchprojekte beginnen mit einer sauberen Analyse der Ursachen der Krise oder Schwäche. Stattdessen reagieren viele Unternehmen mit „Markennotprogrammen“ und versuchen so, wieder auf Erfolgskurs zu kommen:
- Es werden häufig neue Werbeauftritte mit anderen Inhalten und Formaten entwickelt.
- Produktdesign und Packungsgestaltung werden (stark) verändert.
- Es werden zusätzliche neue Produkte und Varianten eingeführt.
- Die Anzahl der Preisaktionen wird weiter erhöht.
In vielen Fällen verstärken diese Notprogramme die Probleme noch, weil die Marke durch die Veränderungen noch diffuser von den Kunden wahrgenommen wird, wodurch das Vertrauen weiter sinkt. Den durch Relaunchversuche hinzu- oder zurückgewonnenen Kunden steht oft eine viel größere Anzahl an Stammkunden gegenüber, die die Neuerungen vehement ablehnen und eine Rücknahme des Relaunchs fordern oder sich sogar gänzlich vom Produkt abwenden.
Drei Beispiele
Beim historischen „New Coke“-Relaunch wurden Hunderte von Millionen US-Dollar innerhalb von zweieinhalb Monaten verbrannt.
Der US-Marktführer bei Orangensaft – Tropicana (Pepsi) – verlor innerhalb von sechs Wochen im Jahr 2009 durch einen missglückten Packungsrelaunch ein Fünftel des Marktanteils und über 35 Millionen US-Dollar (siehe Packungsabbildungen).
In vier Monaten verlor die Nestlé-Schokoladenmarke Cailler 2006 in der Schweiz 32 Prozent ihres Marktanteils und das Top-Management den Job. Der missglückte Packungsrelaunch kostete insgesamt 50 Millionen Franken.
In allen drei Fällen konnte ein noch größerer Schaden durch eine Rücknahme des Relaunchs und schnelle Wiedereinführung des Originalprodukts oder der -packungen verhindert werden.
Analyse der Ursachen der Markenkrise oder -schwäche
Wer das Thema Relaunch ernst nimmt, beginnt mit einer generellen, gründlichen Inspektion des Markenstatus, der Kundenbedürfnisse und der Wettbewerbssituation.
Kernziel einer tiefenpsychologischen Relaunch-Grundlagenstudie ist es, die wirklich relevanten, verborgenen emotionalen Wünsche (Markttreiber) und Barrieren der Kunden herauszuarbeiten, die die Markenwahl entscheidend beeinflussen:
Nach welchen Kriterien strukturieren Endkunden den Markt?
Welche Käuferzielgruppen mit unterschiedlichen Bedürfnisprofilen gibt es?
Wie nehmen sie die bisherigen Angebote beziehungsweise genutzten Problemlösungen wahr?
Welche einzigartigen Vorteile, Stärken und Schwächen werden erlebt? Und warum?
Welche Ursache-Wirkungs-Ketten führen in der Kundenwahrnehmung zu entscheidenden Vor- und Nachteilen Ihrer und anderer Marken?
Wie beeinflussen diese die Marken- und Angebotswahl?
Welche Idealvorstellungen oder Wünsche gibt es?
Welche Defizite Ihrer Marke nehmen Wettbewerbsverwender wahr? Sind diese erlebten Hemmschwellen eher faktisch oder emotional?
Welche Wahrnehmungen und Fehlassoziationen fördern beziehungsweise behindern einen Kauf und eine intensivere Verwendung?
Wie werden die bisherigen Marketingaktivitäten erlebt? Wo existieren aus Verwendersicht noch Optimierungspotenziale?
Die Erfahrung zeigt: Schnelle Marken-Turnarounds sind ohne Kenntnis der wirklichen Ursachen der Markenschwäche nicht möglich – von seltenen Zufallstreffern einmal abgesehen. So hat Langnese 20 Jahre lang vergeblich versucht, die Marktführerschaft im Premiumeissegment von Mövenpick zurückzugewinnen.
Fünf Anläufe (Langnese Bouquet, Superbe, Maxim’s, Carte D’Or und I’Cestel-li) scheiterten. Nachdem in einer Grundlagenstudie die Ursachen dafür ermittelt und die Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt worden waren, gelang es Langnese Cremissimo innerhalb von nur drei Jahren, Mövenpick zu überholen. Das Geheimnis des ungewöhnlichen Erfolgs ist das einzigartige Markenversprechen, das in qualitativen und quantitativen Verfahren herausgearbeitet wurde.
Langnese Cremissimo bietet jetzt das, was die Konsumenten bei Eis wirklich wollen: Cremigkeit. Denn Cremigkeit ist in diesem Markt der wichtigste Reason Why für den Genussbenefit.
Die sechs Relaunch-Erfolgsrezepte
1. Konzentration auf die zentralen, meist emotionalen Markttreiber
Die neuesten Erkenntnisse der Hirnforschung und Verhaltensökonomie zeigen: Marken müssen sich viel stärker als früher auf die Befriedigung zentraler Kategoriebedürfnisse konzentrieren. Die Erfahrung zeigt zudem, dass Produktdifferenzierungen, die keinen wirklich relevanten Bedürfnisstrukturen entsprechen, die Absatzchancen dieser Produkte oft eher schmälern als fördern. So stellen auch die Professoren Barwise und Meehan in ihrem Bestseller „Simply better“ fest: „Wettbewerbsvorteile werden durch solide Kundenkenntnisse verursacht, wie sie wählen, und durch Angebote, die ständig erlebnismäßig ihre wichtigsten Bedürfnisse befriedigen. Der Rest sollte als das angesehen werden, was es ist – als eine Lotterie“ (mit geringen Zufallsgewinnchancen).
Viele Marken stagnieren oder verlieren Marktanteile, weil sie die zentralen, meist emotionalen Markttreiber nicht (mehr) präzise genug ansprechen oder die Konkurrenz es inzwischen besser tut. Die meisten Firmen wissen viel über die rationalen Kaufgründe, haben aber gerade im verhaltensentscheidenden emotionalen Bereich eine große Wissenslücke. Die folgenden Fallstudien verdeutlichen Ihnen die Möglichkeiten ….
Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 3/2015