von Monika Busch.
Auch im Jahr 2016 – mit dem 500. Geburtstag des Reinheitsgebots – bleibt der Biermarkt weiter turbulent. Der Pro-Kopf-Verbrauch im Inland ist 2015 weiter gesunken, die Konsumgewohnheiten ändern sich deutlich. Im vergangenen Jahr entwickelten sich der Bierabsatz und der Umsatz wieder relativ konstant. Ursächlich zurückzuführen ist die Entwicklung auf gestiegene Exporte – laut Statistischem Bundesamt plus vier Prozent. Im Inland steht jedoch ein Absatzminus von 0,7 Prozent.
Wie hinreichend bekannt, ist ein Faktor der demografische Wandel. Und auch die seit Jahren bestehende Wertvernichtung und Imageschädigung durch anhaltenden Preisaktionismus sind bestimmt nicht förderlich für das Lieblingsgetränk hierzulande. „Die Preisspirale zieht wieder spürbar an, nachdem im letzten Jahr Hoffnung bestand, dass die notwendige Preiserhöhung endlich durchgesetzt wird. Dies erstickt die leisesten Hoffnungen auf eine Trendwende im Keim“, kommentiert Jan-Fredrick Stahlbrock, Branchenexperte bei Dr. Wieselhuber & Partner.
Wachstumssegmente sind gegenwärtig alkoholfreie Biere und Spezialitäten, die vom derzeitigen Craft-Bier-Trend profitieren – eine Chance für kleine und mittlere Brauereien. Gesetzt wird zudem auf die im Juni stattfindende Fußballeuropameisterschaft und natürlich auf das Wetter.
Auch die Konsolidierung geht weiter, nicht nur bei den Branchenriesen. Beispielsweise hat die Pfungstädter Brauerei zum 1. Mai dieses Jahres die Michelstädter Brauerei übernommen. Die Arcobräu Moos übernimmt die Brauerei Irlbach im Landkreis Straubing-Bogen. Mit einem Jahresausstoß von rund 170.000 Hektolitern zählt die Arcobräu inzwischen zu den größeren bayerischen Brauereien. Erreicht wird mit dem Ausstoß von Irlbach – etwa 35.000 Hektoliter – die 200.000-Hektoliter-Marke.
Die Karlsberg Brauerei bietet eine neue Unternehmensanleihe (WKN A2AATX) an. Als Mindestemissionsvolumen für das Karlsberg-Wertpapier II sind 30 Millionen Euro vorausgesetzt, die zur vorzeitigen Ablösung des 2012 emittierten Wertpapiers I verwendet werden sollen. Das Zielvolumen für die neue Anleihe mit einer Laufzeit von fünf Jahren liegt bei 40 Millionen Euro.
Im Geschäftsjahr 2015 erzielte die Gesellschaft einen Umsatz von 166,3 Millionen Euro und einen Jahresüberschuss von 8,5 Millionen Euro.
Die Erdinger Brauerei feiert das 130. Jahr ihres Bestehens. 1886 als lokale Brauerei gegründet, ist Erdinger Weißbräu heute mit einem Ausstoß von rund 1,8 Millionen Hektolitern jährlich ein „Weißbräu-Schwergewicht“.
Die Einbecker Brauerei AG meldet für das Geschäftsjahr 2015 ein „erneut gestiegenes“ Jahresergebnis mit einem Bierabsatz von 605.000 Hektolitern. Der Markenabsatz lag bei 448.000 Hektolitern, die Umsatzerlöse werden auf 37,625 Millionen Euro beziffert.
Neues auch bei der Kölner Gaffel Brauerei. Durch den Umzug der Brauerei an den Standort Köln-Porz wird das Grundstück am Eigelstein an die Althoff-Gruppe verkauft. In Planung bei der Hotelgruppe: die neue Budgethotelmarke Urban-Loft Accommodation. Das erste Objekt soll am Eigelstein realisiert werden.
Die Stuttgarter Schwabenbräu weitet ihr Distributionsgebiet auf einen großen Teil von NRW und Rheinland-Pfalz aus.
Der Craft-Bier-Trend ist zu einer neuen Genusskultur avanciert, in der es um das besondere Geschmackserlebnis geht, um Mut, Experimentierfreude, Passion und die Menschen hinter den Produkten.
Im Jahr 2012 hatten circa fünf Prozent aller Biertrinker ein Craft-Bier getrunken, 2014 waren es bereits doppelt so viele. Regelmäßige Käufer von Bier sind zunehmend der Meinung, dass Craft-Biere ein zusätzliches Angebot zu den traditionellen deutschen Bierstilen sind.*
Marc Rauschmann, Braumeister und Geschäftsführer von Braufactum: „Craft-Biere bereichern die Bierkultur um eine wunderbare Facette. Sie zeigen, wie vielfältig das Produkt Bier sein kann, und begeistern bestehende wie auch neue Zielgruppen.“ Eine Umfrage von Braufactum zeigt, dass Craft-Bier großes Ansehen genießt. Auf die Frage „Was ist Craft-Bier für Sie?“ lauteten die fünf meistgenannten Antworten: vielfältig, neugierig, innovativ, ungewöhnlich und beste Qualität. Ein Blick auf die meistgetrunkenen Spezialitäten zeigt, dass die Deutschen verschiedenen Stilen gegenüber aufgeschlossen sind: Weizenbier, Schwarzbier, Amber Lager/Amber Ale, Fruchtbier sowie Pale Ale/IPA bilden die Top Five.*
Die Craft-Bier-Hotspots
Die deutsche Craft-Bier-Kultur ist vom urbanen Lifestyle geprägt. Berlin, Hamburg und München sind die Innovationszentren. Allein in der Hauptstadt finden drei große Craft-Bier-Events statt, und laut der „Berlin Craft Beer Map“ wird in über 40 Bars und Pubs derlei Gehopftes ausgeschenkt. Etwa 23 kleine Brauereien und Brauhäuser sind dort aktiv. In Hamburg und Umgebung sind elf Craft-Bier-Marken und -Brauhäuser ansässig. Mit der Braukunst Live! ist München Austragungsort der wichtigsten Verbrauchermesse der Craft-Szene. Im Jahr 2013 hatten die Veranstalter noch 5.000 Gäste verzeichnet, 2015 waren es fast doppelt so viele. Auch im restlichen Bundesgebiet nimmt die Faszination zu. Festivals für Hopfenfans schießen im ganzen Land wie Pilze aus dem Boden; Seminare, Bierverkostungen und Volkshochschulkurse sind sehr gefragt. >>
Alles andere als Männersache
Der Hipster im Karohemd mit Vollbart und Wollmütze als Hauptzielgruppe von Craft-Bier ist ein Klischee. „Auf Messen und bei Bier-Tastings haben wir es mit ganz unterschiedlichen Menschen zu tun. Unsere Käuferschicht ist sehr heterogen, aber alle eint die Freude an außergewöhnlichen Bieren und die stetige Suche nach neuen Geschmackswelten. Und wir erleben, dass sich immer mehr Frauen für Craft-Bier begeistern“, sagt Marc Rauschmann. Tatsächlich: Frauen sind grundsätzlich experimentier- und probierfreudiger als Männer. 78,7 Prozent können sich vorstellen, ein Craft-Bier zu kaufen, obwohl sie normalerweise kein Bier konsumieren. Von den Craft-Bier-Trinkern, die bereits mehr als einmal ein solches Bier gekauft haben, sind fast 53 Prozent Frauen und rund 48 Prozent Männer.*
Die große Lust am Brauen
Eigenes Bier zu brauen, liegt im Trend. Ob mit fertigen Brauboxen oder mit alten Entsaftertöpfen: Landauf, landab wird mit Hopfen, Malz und Hefen experimentiert. Nach einer Schätzung der Vereinigung der Haus- und Hobbybrauer gehen bis zu 10.000 Menschen dieser Leidenschaft nach. „Die Craft-Bier-Kultur inspiriert viele dazu, sich selbst einmal als Braumeister auszuprobieren und kreativ zu werden. Interessanterweise lief die Entwicklung in den USA ganz anders ab. Dort ging der Impuls bereits in den 1970er-Jahren von enthusiastischen Menschen aus, die begeistert daheim gebraut haben. Daraus ist eine riesige Homebrewing-Bewegung entstanden, die nach ihrer Legalisierung in den Verkauf umgeschlagen ist“, so Marc Rauschmann. Auch im professionellen Gastronomiebereich nimmt das Interesse an Craft-Bieren zu. Mit den Ausbildungen zum Biersommelier oder Bierbotschafter wurde quasi ein neuer Berufszweig geschaffen. Allein die Doemens-Genussakademie hat in Deutschland bis zum Ende des letzten Jahres 1.150-mal das Zertifikat des Diplom-Biersommeliers ausgestellt.
Und auch die nationale Vermarktung von Craft-Bier und von Spezialitäten nimmt Fahrt auf. So haben beispielsweise die Geva GmbH & Co. KG und die Bonifatius GmbH mit Sitz in Kaiseresch ein Joint-Venture-Unternehmen gegründet. Das Joint Venture, dessen Doppelspitze Andreas Vogel, Sprecher der Geschäftsführung der Geva, und Frank Maßen, Geschäftsführer der Bonifatius GmbH und Ex-Carlsberg-Boss, bilden, hat den Anspruch, zukünftig für alle interessierten Craft-Brauer, Gastronomen und Händler die komplette Supply Chain bundesweit als Dienstleistung zur Verfügung zu stellen.
Einen Akzent in der deutschen Craft-Bier-Szene will die Hamburger Block-Gruppe setzen. Gestartet wurde mit einem Blockbräu Frühlingsbier, erhältlich ausschließlich im Braugasthaus im Hamburger Hafen. Das ganze Jahr über produziert Braumeister Thomas Hundt wöchentlich circa 4.400 Liter naturtrübes Pilsener und im Sommer ein bernsteinfarbenes Weizenbier. Im Frühling, Herbst und Winter braut er außerdem saisonale Spezialitäten: obergärige Biere und Biere mit speziellen Hopfensorten.
Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 05/2016