Schwabylon sei überall, meint der rote Schrippenzieher Wolfgang Thierse und verärgert damit alle, die alles können außer Hochdeutsch.
Am Prenzlauer Berg, dem Wohnort des antischwäbischen Agitators, hat sich das Epizentrum des Berliner Schwabenhasses gebildet. In der Weihnachtszeit tauchten Flugblätter auf, die den Zugezogenen aus „Schtuagatt“ eine gute Heimreise wünschten. Das hat der Schwabe nicht verdient. Er kann doch nicht für die Gentrifizierung des Kiezes zum Sündenbock gemacht werden. Schließlich hat der Spätzle ja nicht die schwäbische Institution, den Inbegriff der süddeutschen Spießigkeit, auf den Kiez gebracht: die Kehrwoche. Das wäre ein Beweis.
Aber so schön sauber wie auf dem Killesberg ist es auf dem Prenzlberg eben nicht. Es hätte ja auch die Westfalen oder Niedersachsen treffen können. Aber die sind eben nicht mit so einem Dialekt gebrandmarkt. Offensichtlich scheitert die Völkerverständigung zwischen Schwaben und Berlinern schlicht an sprachlichen Missverständnissen. Der eine sagt „nee“, der andere „noi“, oder er setzt noch einen drauf: „ha noi“. Um als Besucher wieder aus dem Prenzlauer Berg hinauszufinden, braucht man Schwäbisch. „Berlinern, det tut da keener mehr“, meinen die Ureinwohner in rauem Ton.
Nun kann der Hauptstädter aber auch nicht verlangen, dass die Schwäblies jetzt berlinern, wenn die doch noch nicht einmal Hochdeutsch schwätze könne. Oder liegt das vielleicht daran, dass das gesamte patriotische Schwabentum samt seinem patriotischen Geld in die patriotische Hauptstadt gewandert ist und sich am Prenzlauer Berg breitmacht? Vom gemütlichen grünen Killesberg auf den quirligen Prenzlauer Berg. Koschte es, was es wolle, oder? Der Häuslebauer lässt es mal so richtig krachen. Dafür hat er auch gespart und nicht wie die Zentralpreußen alles Geld rausgehauen. Arm, aber sexy – sagen sie ja selbst.
Nun haben die viel Geschmähten mit einem kulinarischen Attentat die Berliner aufgemischt. Sie übersäten das Käthe-Kollwitz-Denkmal am selbigen Platz mit Spätzle. Das hat die Bulettenfraktion mächtig verärgert. Jetzt blies eine Kiezguerilla zum Endkampf gegen die Invasoren aus Esslingen, Reutlingen oder Böblingen.
Aber was will man der mit Spätzlehobeln bis an die Zähne bewaffneten schwäbischen Invasion entgegensetzen? Nichts. Denn in der Hauptstadt hat sich das Wort „Schwabe“ für einen gewissen Schlag Menschen eingebürgert, der für Schnösel, Yuppies, Agenturfuzzies und hippe Neureiche steht. Darunter fallen aber auch die Zugezogenen aus Hamburg, München oder Köln. Das ist so ähnlich wie mit der Verachtung der Bayern für die Preußen. Jeder jenseits des freistaatlichen Weißwurstäquators ist ein Saupreiß. Also ist auch ein Schwabe ein Preuße.
Und schließlich haben die beiden Volksstämme ja auch etwas gemeinsam: Sie können alles außer Großprojekte bauen.
„Ha noi“ oder?
Viktor