Sven Gábor Jánszky, der Chairman des Zukunftsforschungsinstituts 2b AHEAD ist einer der gefragtesten Experten für Zukunft und Innovation. Mit mehr als 800 Keynotes vor 300.000 Managern prägt er die Zukunftsstrategien vieler Unternehmen. Im Interview beschreibt er, warum die Rettung des Klimas ganz oben auf die politische Agenda gehört, er aber trotzdem nicht zum Klimastreik geht. Er hält Technologie für die einzige Lösung des Klimaproblems: „Eine Hauptforderung des Klimastreiks müsste der sofortige, massive Ausbau der Atomenergie sein,“ sagt er. Aber Deutschland habe sich bewusst dagegen entschieden, mit Zukunftstechnologien Atom, Genetik und Quantencomputern die Erde zu retten.
Herr Janszky, die ganze Welt redet heute über Greta Thunberg und Fridays-for-future. Geht auch ein Zukunftsforscher zum Klimastreik?
Nein. Ich jedenfalls war nicht da. Vermutlich sind gut meinende Kollegen von mir dabei gewesen. Aber ich habe die Zeit genutzt, um mich mit Dingen zu beschäftigen, die möglicherweise wirklich unser Klima retten können.
Welche Dinge meinen Sie?
Technologie!
Technologie? Die meisten Demonstranten würden vermutlich sagen, dass Technologie erst dafür gesorgt hat, dass es unserem Klima schlecht geht. Sie fordern Verbote und Einschränkungen von Technologie.
Genau das ist ja mein Problem mit der Fridays-for-future-Bewegung. Natürlich ist die Rettung unseres Klimas eines der großen Themen unserer Zeit. Da kann kein Zukunftsforscher etwas dagegen haben. Es gehört auf die politische Agenda, und zwar ganz nach oben. Greta Thunberg macht hier einen wirklich professionellen Job. Meinetwegen soll sie gern den Friedensnobelpreis bekommen (Anm.: erhielt den alternativen Nobelpreis).
Aber die Art und Weise, wie diese so wichtige Klimafrage derzeit von einer hochideologisierten Anti-Technologiebewegung in Geiselhaft genommen wird, finde ich sehr unseriös. Sogar gefährlich! Denn sie verhindert echte Fortschritte beim Klimaschutz. Und dass Politik und Medien dies täglich nahezu ohne Gegenposition abfeiern, macht mich wirklich wütend.
Was meinen Sie mit Anti-Technologiebewegung?
Der ideologische Überbau der heutigen Klimaproteste besteht aus der Forderung nach Verzicht und Verboten. Verzicht auf Technologie, Verzicht auf Selbstentfaltung, Verzicht auf persönliche Freiheit. Es ist im Kern die „Zurück-zur-Natur-Ideologie“ der Spät-68er-Generation, die auch heute noch glaubt, der Gesellschaft ein besseres Bewusstsein lehren zu müssen.
Ich selbst bin die ersten sechzehn Jahre meines Lebens in der DDR aufgewachsen und bekam ein ideales Bewusstsein gelehrt. Seitdem weiß ich, wie wertvoll die Freiheit ist, dass jeder Mensch sein eigenes Bewusstsein haben darf. Wenn ich in Kommentaren lese, dass jemand ein besseres Bewusstsein für mich gefunden habe und ich einfach nur kein Fleisch essen, kein Flugzeug besteigen und kein Auto fahren darf, dann gehen bei mir die Alarmglocken an.
Aber wenn die Zügellosigkeit der Menschen doch die Ressourcen verbraucht und den Planeten zerstört …
… dann muss sich die Technologie eben schneller entwickeln, die Ressourcen neu erschaffen und den Planeten sichern.
Das klingt aber eher nach einer utopistischen Hoffnung, als nach einer wissenschaftlichen Strategie. Die Wissenschaftler des Club of Rome rufen doch schon seit 1972 nach den Grenzen des Wachstums.
Ja. Und was ist für das Klima herausgekommen? Nichts! Im Gegenteil! Utopistisch ist doch eher der Versuch, alle Menschen zu Verzicht und Selbstkasteiung agitieren zu wollen. Seien wir doch ehrlich. In Mitteleuropa versucht die Ökobewegung diese Verzichtsstrategie seit 50 Jahren. Ohne zählbares Ergebnis. Im Gegenteil! Der Zustand des Weltklimas wird schlimmer! Da muss man doch jetzt langsam mal auf die Idee kommen, dass nicht die Steigerung der offensichtlich untauglichen „Zurück-zur-Natur“-Strategie zur Rettung der Welt führt, sondern dass wir eine bessere Strategie brauchen.
Aber wieso sollte die Rückbesinnung auf unsere natürliche Umwelt falsch sein? Immerhin bietet diese Natur den Lebensraum für all die Menschen. Sie ist die Voraussetzung für alles, ohne Natur wären wir nicht da. Muss sich der Mensch da nicht den Grundregeln der Natur unterordnen?
Nein! Auf keinen Fall. Schauen Sie sich doch die Natur an. Sie ist gewalttätig, ungerecht und inhuman. Ich habe gestern einen Vortrag vor 1.500 Menschen über die Zukunft gehalten. Statistisch gesehen waren darunter einige Menschen, die genetisch angelegte Krankheiten in sich tragen, an denen sie eines Tages sterben werden. Andere sind genetisch kerngesund. Die Natur hat das durch zufällige Mutationen bestimmt. Aber das ist doch höchst unfair.
Einige dieser Menschen haben einen höheren Intelligenzquotienten als die anderen. Falls auch das genetisch angelegt ist, ist auch das höchst unfair. Finden Sie es menschlich, dass wir uns der Unfairness der Natur unterwerfen? Oder finden Sie es menschlich, dass wir Technologie benutzen, um den durch die Natur Benachteiligten die Möglichkeit zu geben, ihre Handicaps zu korrigieren – und gleiche Chancen zu haben wie die gesunden Menschen?
Die Heilung von Menschen durch Technologie ist ja gar nicht umstritten. Aber der Raubbau an den Klimaressourcen ist doch ein anderes Thema, oder?
Nein, es ist genau das gleiche. Denn die Verzichts-Ideologie der Klima-bewegung sorgt für Ungleichheit unter den Menschen. Was geschieht denn, wenn tatsächlich Technologien wie Flugzeuge und Autos teurer gemacht würden, wie schon verschiedentlich gefordert? Das führt automatisch dazu, dass nur noch die wohlhabenden Reichen fliegen dürfen. Und es führt dazu, dass der Unterschied der Lebenschancen zwischen Europäern und Afrikanern dauerhaft festgeschrieben wird.
Diese Welt hat in den letzten Jahrzehnten großartige Fortschritte gemacht. Die Ungerechtigkeiten zwischen den …
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