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Unterwegs im Ahrtal

von Monika Busch.

Das Ahrtal ist noch immer von den Folgen der Flutkatastrophe im Juli 2021 betroffen. Touristische Angebote stehen aber mittlerweile wieder zur Verfügung, wie die „We AHR open“-Kampagne des Ahrtals – „Noch lange nicht fertig. Aber offen und froh über deinen Besuch!“ – verdeutlicht. Die Kampagne signalisiert, dass Winzer, Händler und Gastronomen offen sind – für Besucherinnen und Besucher, für neue Ideen und für die Herausforderungen, die der Wiederaufbau für den Tourismus mit sich bringt.

Im Flutgebiet sind immer noch etliche Häuser zerstört, unbewohnt oder eingerüstet. Der Wiederaufbau geht langsam voran. Etwa 300 Freiwillige der Jugendbauhütten waren und sind momentan für die Denkmalpflege im Ahrtal im Einsatz. Die jungen Erwachsenen kommen aus ganz Deutschland, um auf insgesamt 17 Baustellen im Kreis zu arbeiten – ein Projekt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Während der Projektwochen wohnen die Helfer in einem Camp in Krälingen und fahren täglich zu den verschiedenen Einsatzorten. Die Baustellen befinden sich an mehreren Orten entlang der Ahr, beispielsweise in Mayschoß, in Walporzheim oder in Dernau. Die Jugendbauhütten sind eines von insgesamt 16 bundesweiten Projekten. Sie werden von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Trägerschaft der internationalen Jugendgemeinschaftsdienste koordiniert. Junge Menschen im Alter von 16 bis 26 Jahren erlernen dabei traditionelle Handwerkstechniken an historischen Bauten. Im Ahrtal gibt es seit März 2022 außerdem das Pilotprojekt „Mobiles Team Fluthilfe“, bei dem fünf Freiwillige an wechselnden Einsatzorten dauerhaft tätig sind. „Wir haben die große Chance, durch die Helferschar jüngere Leute fürs Ahrtal zu begeistern“, sagt Michael Lentz vom Hotel Central in Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Das „Nachhaltige Tourismuskonzept Ahrtal 2025“ ist eine wichtige Basis für die touristische Entwicklung in der Region. Es enthält rund 50 Projekte, von neuen Radwanderwegen über eine Hängebrücke bis zum Flutmuseum und zum Wissenschaftsstandort.
Über eine 100 Meter lange Hängebrücke, für die es zwei mögliche Standorte gibt, sollen die Besucherinnen und Besucher vom Rotweinwanderweg zum Ahrsteig hinübergehen können. Spektakulär soll das werden – nach dem Vorbild etwa der 360 Meter langen Hängeseilbrücke Geierlay im Hunsrück. So könnten Besucherinnen und Besucher künftig zwischen Walporzheim und der Saffenburg in Mayschoß wandern.

Auf einem Skywalk, der schon für die abgesagte Landesgartenschau in Bad Neuenahr geplant war, bieten sich spektakuläre Aussichten über das größte zusammenhängende Rotweinanbaugebiet Deutschlands mit über 80 Prozent bestockter roter Rebsorten. Noch sind die Radwege mit Ausnahme eines kleinen Teilabschnitts zwischen Blankenheim und Walporzheim zerstört. In wenigen Jahren sollen im gesamten Ahrtal Cross-Country-Strecken entstehen. Der Radwanderweg soll eine „Benchmark für Nachhaltigkeit und Qualität“ werden.
Das Dilemma der Ahrtaler: Sie brauchen die Besucherinnen und Besucher, wissen aber auch, dass sie ihnen im Moment noch nicht das bieten können, was sie suchen. Mithilfe des Tourismuskonzepts will sich das Ahrtal im Wiederaufbau touristisch neu positionieren sowie zu einer touristischen und nachhaltigen Vorbildregion transformieren. „Gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels und seiner Auswirkungen hat das Thema Nachhaltigkeit im Ahrtal noch mehr als in anderen Destinationen an Bedeutung gewonnen“, erklärt Projektleiter David Bongart. Im Tourismus reiche Wiederaufbau langfristig nicht aus. Das Ahrtal müsse sich mit Innovation und Nachhaltigkeit neu positionieren. Das erwähnte Tourismuskonzept soll für die nächsten rund zehn Jahre prägend sein. Ziele des Konzepts sind unter anderem „der Neuaufbau des Ahrtals als die nachhaltige und innovative Natur- und Weinregion in Deutschland sowie die Entwicklung als Qualitätsregion mit ausgeprägter Gastlichkeit, authentisch und regional in allen Bereichen“.

So sollen beispielsweise ein höherer Anteil an Übernachtungsgästen sowie eine längere Saison erreicht werden. Als künftige Zielgruppen habe man vor allem Kultur- und Naturliebhaber, aktive Naturgenießer, Familien, „genussorientierte Entschleuniger“ und „aktive Erlebnissucher“ im Fokus. Dabei möchte man in Sachen Infrastruktur die E-Mobilität ebenso ausweiten wie das ÖPNV-Angebot. Eine Aufwertung des Rotweinwanderwegs und des Ahrsteigs soll das Naturerlebnis ebenso fördern wie ein MTB-Cross-Country-Routennetz in den Höhenregionen, der Ahr-Radweg als Benchmark für Nachhaltigkeit und Qualität. Geprüft wird auch die Schaffung eines Naturparks Ahrtal.

Ist Urlaub im Ahrtal wieder möglich? Auf jeden Fall! Auch wenn viele Orte im Ahrtal noch mitten im Wiederaufbau stecken, sind die Menschen dort sehr froh über Besucher. Ihre Unterstützung ist sehr wichtig. Zwei Drittel der bei der Flutkatastrophe zerstörten Restaurants, Hotels und Ferienwohnungen sind bereits wieder in Betrieb – es herrscht Aufbruchstimmung. „Immer mehr Gastgeber im Ahrtal können dank ihres großen persönlichen Engagements und ihres Durchhaltevermögens wieder öffnen. Doch sie brauchen jetzt vor allem Gäste, um auch dauerhaft wirtschaftlich bestehen zu können“, weiß David Bongart vom Fremdenverkehrsverein Ahrtal-Tourismus. „Leider gibt es aber noch vielfach Bedenken, als Katastrophentourist abgestempelt zu werden. Wir Ahrtaler möchten jedoch ganz ausdrücklich einladen, uns zu besuchen und uns somit zu unterstützen.“ Etliche Freizeitattra ktivitäten wie der Regierungsbunker, das Museum Roemervilla, der Waldkletterpark und die Sommerrodelbahn in Altenahr waren von der Flut nicht betroffen.

„Wir stellen hier fast durchweg Aufbruchstimmung fest“, freut sich auch der Ahrtal-Tourismus-Vorsitzende Christian Lindner. „Selbst Betriebe, die immer noch mit Schwierigkeiten, Verzögerungen und Unwägbarkeiten zu kämpfen haben, sind zuversichtlich, dass der Tourismus im Ahrtal Zukunft hat.“ Rund 70 Prozent aller touristischen Betriebe zwischen Blankenheim und Sinzig – Hotellerie, Gastronomie, Ferienwohnungen und Weingüter – waren im Juli 2021 von der Flut betroffen. Von diesen Betrieben sind derzeit schon wieder mehr als zwei Drittel geöffnet, und fast täglich kommen weitere dazu. „Auch ganz neue Betriebe sind am Start – das zeigt, dass es bergauf geht.“
„Ja, das Ahrtal ist gezeichnet von der Flut, und ja, es wird noch lange Zeit dauern, alles wiederaufzubauen. Aber: Ein Besuch im Ahrtal lohnt sich trotzdem schon jetzt, und wir freuen uns auf dich. Denn die Landschaft ist vielfach unberührt und wunderschön. Zahlreiche unserer herrlichen Wanderwege sind unbeschädigt und laden ein, wohltuende Natur zu genießen. Winzer, Einzelhändler und Gastronomiebetriebe heißen dich wieder herzlich willkommen – teilweise mit ideenreichen Alternativkonzepten. Auch Erlebnismöglichkeiten und Veranstaltungen warten auf dich“, heißt es aus dem Ahrtal.

Wandern durch das Reich der Reben

Unberührt von der Flut aufgrund seiner Höhenlage schlängelt sich der Rotweinwanderweg auf 36 Kilometern durch die Weinberglagen des Ahrtals, bietet tolle Blicke und Aussichten und ist zum Wahrzeichen der Region geworden. 2022 feierte er seinen 50. Geburtstag. Hinter jeder Ecke ein neuer Blick ins Tal, mal entlang weitläufiger Weinberge, mal vorbei an Schieferfelsen. Der Rotweinwanderweg macht seinem Namen alle Ehre, denn hier wachsen einige der besten und vielfach ausgezeichneten Spätburgunder Deutschlands. In der Saison rund um den Sommer und den Herbst werden auf dem Rotweinwanderweg durch die Ahrwinzer organisierte Versorgungsstationen mit kleinen Leckereien und natürlich Ahrwein angeboten.

Einen tollen Blick auf die Weinberge hat man auch vom Ahrsteig. Rund 100 Kilometer können in sieben Etappen erwandert werden. Trittsicherheit und ein bisschen Abenteuerlust braucht man auf der einen oder anderen Etappe schon. Vom idyllisch ruhigen Waldweg über seichte Wiesenpfade bis zu anspruchsvollen Felspfaden ist auf dem Ahrsteig alles dabei. Und die Orte entlang des Weges locken mit herzlichen Gastgebern.

Durch die Flut wurden rund zehn Prozent der Weinbergflächen und fast alle Winzerbetriebe zerstört oder stark beschädigt. Das Anbaugebiet Ahr ist mit 563 Hektar das größte zusammenhängende Rotweinanbaugebiet Deutschlands – nach der Flutkatastrophe werden noch etwa 530 Hektar bewirtschaftet. Es liegt im Norden von Rheinland-Pfalz, direkt vor den Toren Kölns und Bonns, und gliedert sich mit seinem Tal an die Berge der Eifel an. Die Rebflächen erstrecken sich in Steil- und Steilstlagen 25 Kilometer in westlicher Richtung entlang des beschaulichen Flusses Ahr von Altenahr in Richtung Rhein. Rund 80 Prozent der Rebflächen sind, wie bereits erwähnt, mit roten Rebsorten bestockt. Die dominierenden Sorten sind Spätburgunder (64,6 Prozent) sowie Frühburgunder (6,2 Prozent). Bei den weißen Weinen ist der Riesling (8,2 Prozent) am stärksten vertreten.

Neues Markenzeichen

Ein neues Markenzeichen der Ahr: Blanc de Noir, ein weiß gekelterter Spätburgunder. Ein (fast) weißer Wein, der aus roten Trauben gekeltert wird. Da der Farbstoff der Spätburgundertraube in der Beerenschale sitzt, wird der Saft vor der Gärung von der Schale getrennt. Farblich unterscheidet er sich etwas vom Weißwein, er ist aber bei Weitem nicht so rosarot wie Weißherbst oder Rosé.

Bei den Winzern bemerkbar: Aufbruchstimmung und Optimismus – auch wenn Weinpräsentationen teilweise noch in Containern stattfinden und diese zudem das Büro ersetzen müssen. Teilweise musste auch die Produktion ausgelagert werden.

Dokumentationsstätte über den Luftschutzbunker der Bundesregierung

Mit dem Beitritt zur Nato im Jahr 1955 verpflichtete sich die Bundesrepublik Deutschland, einen Ausweichsitz für die in Bonn ansässigen Verfassungsorgane zu errichten. In nur 30 Kilometer Entfernung fand man im Ahrtal beste Baugegebenheiten. Der milliardenteure Bau des Regierungsbunkers erfolgte von 1960 bis 1971. Im 17,3 Kilometer langen Stollengeflecht des Bunkers, der in fünf autarke Abschnitte unterteilt war, konnten 3.000 Personen untergebracht werden. Für den technischen Betrieb sorgten 160 Mitarbeiter.
Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts entschied die Bundesregierung im Jahr 1997, den Regierungsbunker in Ahrweiler aufzugeben. Aus Gründen des Umweltschutzes wurde der Bunker von 2001 bis 2006 vollständig entkernt, und 34 Außenbauwerke, die überwiegend der Be- und Entlüftung dienten, wurden verschlossen. Aufgrund der geschichtlichen Bedeutung blieb ein 203 Meter langes Teilstück des Bunkers erhalten und wurde im Jahr 2007 zu einer Dokumentationsstätte umfunktioniert. Der Haupteingang befindet sich in den Weinbergen oberhalb von Ahrweiler.

Im März 2008 wurde ein bundesweit einmaliges Zeitzeugnis vergangener Tage seiner neuen Bestimmung übergeben: Der ehemalige Regierungsbunker im Ahrtal öffnete seine atombombensicheren Tore als Museum. Teilbereiche der Anlage stehen den Besuchern offen und laden Jung und Alt aus aller Welt ein. Für den Träger der Dokumentationsstätte, den Heimatverein Alt-Ahrweiler, ist dies Herausforderung und Verantwortung zugleich, denn die Mitarbeiter begleiten auf ihrer circa eineinhalbstündigen Bunkerführung durch eine unterirdische Welt, die noch bis vor Kurzem strenger Geheimhaltung unterlag. …

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 8-9/2023