Bevor der Höhepunkt in den Hochburgen mit den Rosenmontagszügen startete, wirbelte ein Sturmtief die Jecken ordentlich durcheinander. Das Tief Ruzica verlegte den Aschermittwoch, an dem bekanntlich alles vorbei ist, mal eben auf den Rosenmontag. Die Jecken an Rhein und Ruhr blieben gelassen, feierten trotzdem und freuen sich auf ein jeckes Wiederholungsspiel bei wärmeren Temperaturen im Frühjahr. Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.
Was aber immer folgt, ist die Fastenzeit – und die ist wetterunabhängig. Laut einer Umfrage hält jeder zweite Deutsche diese Zeit der Entbehrungen für sinnvoll. Eine gewisse Zeit, genauer gesagt 40 Tage, auf gewisse Genussmittel oder Konsumgüter zu verzichten, fällt der Hälfte der Deutschen nicht sonderlich schwer. In einer Studie gaben mehr als 50 Prozent an, schon einmal längere Zeit Verzicht geübt zu haben. Ganz oben auf der Verzichtsskala stehen Alkohol und Süßes, gefolgt von Fleisch. Auf Tabak oder den Fernseher zu verzichten, sind schon erheblich weniger bereit. Das Auto einmal stehen zu lassen, fällt den meisten schon schwer.
Aber ganz dramatisch ist es für die Mehrzahl der Fastenwilligen, sich einmal vorübergehend in der Freizeit aus der Onlinevernetzung zu verabschieden. Ein Dasein ohne Facebook, Twitter & Co. oder Whatsapp, Google und weiß der Teufel noch alles scheint für die meisten absolut undenkbar. Das Abschalten von Smartphone, Tablet oder Computer ist ein No-Go. Nun hat das Internet viele Errungenschaften mit sich gebracht. Die zahlreichen Kommunikationsmittel und immer abrufbaren Informationen haben unser Leben schon erleichtert und bereichert. Aber zunehmend schleicht sich eine Spezies ein, für die eine Onlinefastenzeit ganz angebracht wäre: der Onlinejunkie. Den klassischen Onlinejunkie erkennt man aber nicht an der Zeit, die er vor seinem Computer hockt, sondern eher an den Auswirkungen auf sein soziales Verhalten. Im fortgeschrittenen Stadium hat ihn das Netz dermaßen im Griff, dass wirkliche „Offline“-Beziehungen zugrunde gehen. Frühere Alltagsaktivitäten sind in Vergessenheit geraten, und der virtuelle Raum umgibt ihn bald in Gänze. Wenn der Onlinejunkie nicht mehr zwischen off- und online unterscheiden kann, wird’s kritisch.
Nun wirbt ein amerikanisches Institut (was auch sonst) im Internet (wo auch sonst) mit einem 45-tägigen Kurs um diese von der Onlinesucht befallene Zielgruppe. Zum Schnäppchenpreis von schlappen 13.000 Euro werden den Teilnehmern wieder soziale Fähigkeiten vermittelt und Wege aus dem Labyrinth des Onlinedaseins aufgezeigt. On top gibt es noch einen Yogakurs, um nicht nur der geistigen, sondern auch der muskulären Verspannung den Garaus zu machen.
Sich aktiv in die reale Welt zu begeben, sich mit Freunden zu treffen oder wieder einmal Sport zu treiben, bringt ungleich höhere Befriedigung und steigert das seelische und körperliche Wohlbefinden. Preiswerter ist es sowieso.
Nächstes Jahr stehe ich wieder am Zug und rufe nach Kamelle.
Alaaf und helau, Euer Viktor