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Auf die Marke gekommen

von Mario Scheuermann

Im Januar habe ich, basierend auf den dgw-Kolumnen des vergangenen Jahres, über verschiedene Internetkanäle einige Prognosen veröffentlicht, wie sich die Weinwelt in den kommenden zehn Jahren verändern könnte. Gleichzeitig habe ich die Leser aufgefordert, eigene Vorhersagen zu wagen. Von einem Comeback der Burgunderweine war dann oft die Rede, woran ich persönlich nicht glaube, obwohl ich diese sehr schätze.
Andere meinten – und da kann ich nur zustimmen –, dass das Internet in all seinen Spielarten noch mehr an Bedeutung für die Weinwirtschaft gewinnen wird – als Infokanal, aber auch als Vertriebsschiene. Die aktuellen Twitter-Verkostungen und Haweskos Tvino sind da erst bescheidene Anfänge. Weinblogger werden in diesem Jahr von der Düsseldorfer Messe zur ProWein erstmals wie Medien behandelt und dort ihren eigenen Stammtisch im Pressezentrum bekommen. Immer mehr Veranstaltungen und Präsentationen werden schnell, kostengünstig und weltweit via Facebook angekündigt und vermarktet. Als aktuelles Beispiel mag hier die Primeur-Verkostung von Jean-Luc Thunevin in Bordeaux taugen.
Am wichtigsten fand ich aber diesen Hinweis eines Händlers, der schrieb: „Globale Weinmarken/Brands werden weiter an Gewichtigkeit, Einfluss und Umsatz gewinnen.“ Das sehe ich genauso. Allerdings würde ich den Trend zur Marke um eine wesentliche Nuance ergänzen wollen: Es wird in Zukunft nicht nur verstärkt globale Marken geben, sondern auch sehr viele eher regional orientierte Marken, die durch Winzer kreiert werden. Das heißt, die Weinwirtschaft wird sich auf allen Ebenen wegbewegen von Varietals und Lagenweinen und hin zu Typenweinen. Die heißen dann nicht Yellowtail, Kumala oder Blanchet, sondern Strandgut, Bodenschatz oder Schieferterrasse.
Auch deutsche Winzer haben dies erkannt und beschäftigen sich immer häufiger mit diesem Thema. Eine Umfrage zeigte, dass es allein in Deutschland bereits weit über 200 Markenweine von kleinen, mittleren und größeren Weingütern und Genossenschaften gibt, die es auf beachtliche Produktionszahlen bringen. Darunter befindet sich so mancher VDP-Betrieb.
Zusammen mit Michael Pleitgen von der Berliner Weinakademie arbeite ich derzeit an einer exakten Erhebung und Studie. Die Eingangsgröße liegt bei circa 5.000 Flaschen. Das können offenbar auch kleinere Betriebe schaffen. Die größeren bringen es indessen heute bereits auf 80.000 oder auch über 100.000 Flaschen.
Mit solchen Mengen kann man den nationalen Markt bereits erfolgreich bedienen. Diese Weine haben drei Vorteile: erstens eine gleich bleibende Qualität mit weniger ausgeprägten Jahrgangsschwankungen und eine Alleinstellung, die es dem Erzeuger ermöglicht, mit dem Handel eine großzügigere Spanne zu vereinbaren. Dies kommt dem ganzen Preisgefüge des Betriebs zugute. Der Winzer kann seine hochklassigen Lagenweine in der Menge etwas reduzieren, konzentrieren und sie so zu raren Spezialitäten machen.