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Es gibt sie noch, trotz Facebook, Twitter und Google – die großen Abenteuer auf dieser Welt. Eines der letzten dieser Art bei uns: Reisen mit der Deutschen Bahn. Da klingt der Slogan „Die Bahn macht mobil“ wie Hohn. Gut, Züge haben manchmal Verspätung. Im Winter fallen durchaus einige aus dem Fahrplan, und im Sommer streiken schon mal die Klimaanlagen. Manchmal streiken auch die Bediensteten, oder großräumige Fluten behindern den Bahnverkehr.

Aber das Chaos macht sich eben überwiegend im ganz normalen Bahnalltag breit. Überfüllte Züge warten auf Bahnsteigen wegen Verspätungen oder stehen auf den Gleisen ohne konkrete Durchsage, warum und wie lange. Aber ganz ärgerlich wird es, wenn der Zug mal eben eineinhalb Stunden früher aus dem Bahnhof rollt als geplant. Im DB-Reisezentrum wird dann lapidar erklärt, man habe ja schließlich eine E-Mail mit „Verspätungs­alarm“ versendet. Nicht nur die Reisenden ohne Smartphone bleiben da sprichwörtlich auf der Strecke. Kaum jemand ist schon zwei Stunden vor Abfahrt auf dem Bahnsteig, oder?

Wer spontan mit der Bahn von A nach B will, gerät schon manchmal gehörig in Stress. Da steht man mit dem Geld vor dem Ticket­automaten, wurstelt sich über den Touchscreen zum Zielort, drückt den Button „Bezahlen“, und dann lautet die Botschaft auf dem Display: „Defekt“ oder „Passend zahlen“. Im Reisecenter lange Schlangen. Hat man dann endlich seine Karte, ist der Zug entweder bereits abgefahren oder so überfüllt, wie man es in Reiseberichten über Bangladesch gesehen hat.

Stressfrei mit der Bahn? Nur bedingt. Das selbst ernannte Unternehmen der Zukunft bringt immer mehr Kunden zur Verzweiflung. Eine zuverlässige Alternative zu Flieger und Auto ist die Bahn längst nicht mehr. In den größten deutschen Staatskonzern werden jährlich Milliarden an Zuschüssen für den Netz­betrieb gepumpt. Und gerade hier wird skandalös an Personal gespart, was zu enormen Überstunden und zu Mehrbelastung der noch vorhandenen Mitarbeiter führt.

Mainz war die logische Folge dieser Bahnpolitik. Die Mitarbeiter machten Dienst nach Vorschrift. Keine Überstunden, keine Mehrbelastung. Zwei Wochen lang ging dort nichts mehr. Die rigorose Sparpolitik und das Missmanagement schlugen voll durch, zulasten der Bahnbenutzer. Irgendwie bekommt man das Gefühl, dass durch Spar- und Dividendenziele, kurzfristiges Renditedenken und den Bau von teuren Großprojekten die Bahnmanager ihren eigentlichen Auftrag aus den Augen verloren haben. Die Flut von Beschwerden scheint an den Bahnoberen abzuperlen wie ein Wassertropfen an der Teflonpfanne. Aber es machen sich Alternativen breit. Mitfahr­lösungen und Fernbusunternehmen drängen in den Markt. Die stecken zwar noch in den Kinderschuhen, aber sie wachsen. Die Bahn muss umdenken. Sie ist in erster Linie ein Dienstleistungsunternehmen und keine Spielwiese für immer stärkeres Renditedenken und für Rationalisierungsmanager.

Als die privaten TV-Anbieter in den 80er-Jahren on air gingen, wurden sie auch von den öffentlich-rechtlichen Anstalten nur müde belächelt. Es dauerte nicht lange, bis das zwangsgebührenfinanzierte Fernsehen massenweise sein Publikum verlor. „Bauer sucht Frau“ kommt irgendwie besser an als „Kunde sucht Zug“. Mainz ist eben überall.

Euer Viktor