von Emotionen geprägte, erinnerungswürdige Weinlese mit großem Arbeitsaufwand
Weinerntebilanz 2023
von Monika Busch, Fotos: dgw
Viele Betriebe haben durch die selektive Vorlese geringere Erträge in Kauf genommen, was die Erntemengen letztlich deutlich hinter den ersten Prognosen zurückbleiben ließ. Wie das Deutsche Weininstitut mitteilt, wird nach jüngsten Schätzungen bundesweit ein Ertrag von rund 8,8 Millionen Hektoliter Weinmost erwartet, der damit um ein Prozent unter dem Durchschnittsertrag der letzten zehn Jahre und um drei Prozent unter der Vorjahreserntemenge von 9,1 Millionen Hektolitern liegt.
Die Ertragssituation in den 13 Anbaugebieten stellt sich je nach Rebsortenstruktur, Lage, Bodenart und Bewirtschaftungsweise sehr unterschiedlich dar. Über einen Ausnahmejahrgang mit einem Mengenplus von 23 Prozent im Vergleich zum langjährigen Mittel freut man sich etwa in Sachsen. Gleiches gilt für die Weinerzeuger an Saale-Unstrut, deren erwartete Erntemenge um 13 Prozent über dem zehnjährigen Durchschnittsertrag liegt.
Mit einem prognostizierten Plus von neun Prozent sind die fränkischen Erzeuger insgesamt ebenfalls positiv gestimmt. Das Gleiche gilt für die Winzer an der Nahe (+8 Prozent), im Rheingau (+6 Prozent) und an der Hessischen Bergstraße (+6 Prozent). In den drei größten deutschen Weinbaugebieten Rheinhessen, Pfalz und Baden geht man von Durchschnittserträgen aus, die ungefähr auf dem Niveau der letzten zehn Jahre liegen.
Aus qualitativer Sicht hat der Weinjahrgang 2023 alles geboten. In gut vorbereiteten Weinbergen und kühleren Lagen sowie in den nördlicheren Anbauregionen konnten dank des sehr sonnigen und trockenen Herbsts die Rieslingtrauben noch von der intensiven September- und Oktobersonne profitieren, was auch Spitzenqualitäten ermöglichte. Zu den weiteren Gewinnern des Jahrgangs zählen der Silvaner sowie die internationalen Rotweinsorten und auch die neuen, robusten Rebsorten mit ihrer hohen Widerstandsfähigkeit (Piwis).
Die Herausforderungen des Jahrgangs, etwa die extreme Trockenheit im Juni, die darauffolgenden ergiebigen Niederschläge bis in den August oder auch das Aufkommen der Kirschessigfliege, haben die Weinbaubetriebe insbesondere dank ihrer Investitionen in eine schnelle Verarbeitung großer Traubenmengen sehr gut gemeistert, denn zum einen machte der viele Spätsommerregen eine schnelle Lese erforderlich, zum anderen wurden in diesem Jahr die meisten Rebsorten annähernd zur gleichen Zeit erntereif. Gelesen wurde Tag und Nacht, Letzteres nicht zuletzt auch, um die Trauben im außergewöhnlich warmen September möglichst kühl einzuholen. Entsprechend früh, zum Großteil bereits Ende September, war beispielsweise in Rheinhessen, Pfalz oder Baden die Weinlese beendet. Einige Winzer sprachen sogar von der schnellsten Lese, die sie je erlebt hätten.
Moselweinbilanz 2023
„Es war ein Herbst der Herausforderungen, der aber auch die Chance auf die Erzeugung von Spitzenweinen geboten hat“, sagte Henning Seibert, Vorsitzender des Moselwein e. V. und Vorstandsvorsitzender der Winzergenossenschaft Moselland eG, bei der Herbstpressekonferenz des Moselwein e. V. in Kanzem. Die rasante Reifeentwicklung ab Anfang September machte in den meisten Weinlagen einen hohen Selektionsaufwand erforderlich. Dies wurde bei der Rebsorte Riesling mit exzellenten Qualitäten bis hin zu Großen Gewächsen und edelsüßen Raritäten wie Trockenbeerenauslesen belohnt. Die früher reifenden Burgundersorten kamen mit den Wetterbedingungen im Spätsommer dagegen weniger gut zurecht. Wegen des feuchtwarmen Wetters fielen Insekten wie die Kirschessigfliege in die Moselweinberge ein. „Die meisten Rotweintrauben, die übrig blieben, wurden zu Rosé verarbeitet“, berichtete Seibert.
Die Auswirkungen des Klimawandels werden im Lesezeitpunkt deutlich: Mitte Oktober war die Lese an Mosel, Saar und Ruwer bereits größtenteils beendet, während vor 20 Jahren kaum eine Rieslingtraube vor diesem Zeitpunkt geerntet worden war.
Die Erntemenge im Anbaugebiet Mosel liegt zwar um rund drei Prozent über der des Vorjahres, fällt aber nach den aktuellen Schätzungen leicht unterdurchschnittlich aus, wie der Moselwein e. V. in seinem Herbstpressegespräch in Kanzem an der Saar mitteilte. Henning Seibert rechnet damit, dass rund 710.000 Hektoliter Traubenmost aus dem 2023er-Jahrgang in den Tanks und Fässern liegen. Das sind etwa 1,5 Prozent weniger als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Von 2012 bis 2022 lag die durchschnittliche Produktion im Gebiet bei 720.000 Hektolitern. Infolge der Trockenheit wurden 2022 nur 688.000 Hektoliter geerntet. Bis Mitte August hatten die Ernteschätzungen für den 2023er aufgrund der ausreichenden Niederschläge im Sommer noch deutlich höher gelegen. Das feuchtwarme Wetter im Spätsommer ließ die Erntemenge aufgrund sich ausbreitender Fäulnis rasch schrumpfen.
Kennzeichnend für den Jahrgang ist erneut die hohe Varianz bei Qualität und Menge, die sich sogar bis in einzelne Weinlagen zeigte. Diese Heterogenität der Ernte ist mittlerweile fast Normalzustand. Wie im kühlen und nassen 2021 oder im trockenen und heißen 2022 ist auch 2023 die Bandbreite bei Erträgen und Qualität wieder sehr groß. Je nach Standort, Wasserversorgung und Rebsorte sowie abhängig von Alter und Genetik der Reben und Unterlagen gehen die Ergebnisse weit auseinander. Die starken Niederschläge im Sommer sorgten vor allem in Böden mit guter Wasserspeicherfähigkeit und kompakten Trauben für Probleme mit Fäulnis, weil sich Beeren infolge des Wasserdrucks abquetschten.
Die Traubenlese der früh reifenden Sorten begann fast schlagartig schon in der ersten Septemberhälfte, nachdem Niederschläge und sehr warmes Spätsommerwetter die Entwicklung vorangetrieben hatten und Insekten wie die Kirschessigfliege in die Weinberge eingefallen waren. Neben den roten Sorten litten auch die weißen Burgundersorten unter den Bedingungen.
Der später reifende Riesling profitierte dagegen von einem positiven Witterungsverlauf in der zweiten Septemberhälfte und spielte vor allem in den steinigen Schiefersteillagen seine Stärken aus. Die mit einem Anteil von 62 Prozent wichtigste Rebsorte der geschützten Ursprungsbezeichnung Mosel bietet im 2023er-Jahrgang die gesamte Bandbreite der Weinstile: vom trockenen und feinherben Gutsriesling über Großes Gewächs und die fruchtigen Klassiker Kabinett und Spätlese bis zu den edelsüßen Auslesen und Beerenauslesen.
Der Arbeitsaufwand war indes auch beim Riesling enorm. Anlagen, die vorgelesen wurden, profitierten von den kühlen Nächten und sonnigen Tagen Ende September und Anfang Oktober. Während vollreifes, gesundes Material für trockene und feinherbe Weine sowie Kabinett geerntet werden konnte, bot die Edelfäule Botrytis die Möglichkeit zur Selektion von Rosinen mit weit über 100 Grad Öchsle zur Erzeugung edelsüßer Spitzengewächse. Die hohen Arbeitskosten bei selektiver Ernte lohnen sich allerdings nur für Weingüter, die entsprechende Preise erzielen können. Im Bereich der Trauben- und Fassweinerzeuger lag das Mostgewicht daher im Bereich von 70 bis 85 Grad Öchsle. Auch die Rebsorten Elbling und Müller-Thurgau gehören mit guten Erträgen und Mostgewichten zu den Gewinnern des Jahrgangs im Anbaugebiet.
91 Prozent der Erntemenge 2023 entfallen nach den aktuellen Schätzungen des Weinbauverbands Mosel auf Weißweinsorten. Der Verband geht von rund 710.000 Hektolitern aus, davon 650.000 Hektoliter Weißmost. Die Rebsorte Riesling mit einem durchschnittlichen Ertrag von 80 Hektolitern je Hektar macht mit rund 426.000 Hektolitern fast 60 Prozent der gesamten Ernte an Mosel, Saar und Ruwer aus. Die Ausbeute bei Elbling mit 115 Hektolitern und Müller-Thurgau mit 100 Hektolitern je Hektar liegt leicht über den Werten von 2022. Trotz der Einbußen gibt es 2023 bei einem Ertrag von 80 Hektolitern je Hektar ähnlich viel Weiß- und Grauburgunder wie 2022. Bei den roten Sorten wird der Gesamtertrag auf rund 62.000 Hektoliter geschätzt. Hier reichen die Erträge im Mittel von 75 Hektolitern je Hektar beim Spätburgunder bis zu 85 Hektolitern beim Dornfelder. Das Gros der roten Trauben wird zu Rosé und Blanc de Noir verarbeitet.
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